Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
endlich auch seine Lebensaufgabe: hinter dem Tresen Bier ausschenken und mit Leuten reden.
Das Chez Klaus hatte eingeschlagen wie eine Bombe. Nicht, weil es in Hall nicht schon genug Kneipen gegeben hätte. Die alte Salzstadt war ja auch eine Brauereistadt, und wenn man in Hall einen Tod nicht starb, dann den Tod des Verdurstens. Aber bis zu dem denkwürdigen Tag, an dem Klaus zum Streichen der Wände neben zwei Kübeln Deckweiß auch einen Kübel roter Farbe anschleppte und die Wände daraufhin in leuchtendem Rosa erstrahlten, hatte es in Hall keine Kneipe für diejenigen gegeben, die sich beim abendlichen Anbaggern unter Vertretern des eigenen Geschlechts umsahen. Kurzum, das Chez Klaus war eine Schwulen- und Lesbenbar geworden.
Was alle wussten, nur Klaus noch nicht. Er kapierte immer etwas langsamer.
Er hatte auch dann nicht geschaltet, als seine Kumpels vom ehemaligen VHS-Männerkochkurs ein Foto von Onis’ rosa Teddy gerahmt und über die Tür gehängt hatten.
Klaus war eben nicht der Hellste.
Für die Stimmungslage seines Freundes Siggi hatte Klaus jedoch einen untrüglichen Radar. »Was ist denn los?«, fragte er und stellte Onis eine Schüssel mit frisch gezapftem Leitungswasser vor die Hechelschnauze.
Seifferheld antwortete: »Nichts ist los.«
Solange sich Olga, die ein kasachisches Auge auf ihn geworfen hatte, mit ihren langen Fingernägeln in sein Knie verkrallt hatte, wollte er nichts von dem Mord erzählen. Olga war nicht gerade für ihre Verschwiegenheit bekannt. Und es musste ja nicht gleich die ganze Stadt erfahren, dass der Star der Freilichtspiele ermordet worden war.
Olga ertrug Verschwiegenheit nicht. Das hätte jetzt unangenehm werden können, und sie hatte auch schon den Mund geöffnet, um Seifferheld wie Inquisitor Torquemada hochnotpeinlich zu löchern, doch just da ging die Tür auf, und die Mitglieder der ehemaligen VHS-Männerkochgruppe ergossen sich geschlossen in den rosafarbenen Schankraum.
»Arndt … Gotthelf … Eduard … Guido … Günter … Horst …«, begrüßte Seifferheld sie und nickte allen zu. »Was macht ihr denn hier?«
»Was wir hier machen? Hast du etwa die Rundmail nicht gelesen?«
»Was für eine Rundmail?«
Seifferheld hasste seinen Laptop, nicht zuletzt wegen der vermaledeiten Polizeiberichte. Er ging nur online, wenn er einen Bericht fertiggeschrieben hatte und zur Absegnung an die Polizeichefin schicken musste, die ihn dann an die Zeitung weiterleitete. In seinen Mailpostkasten schaute er nur alle Jubeljahre rein. Wer sollte ihm schon mailen? Auch an jenem Morgen hatte er seine Posteingänge ignoriert. Es handelte sich ohnehin meistens um Angebote zur Penisverlängerung oder Viagra-Schnäppchenangebote, beides noch nicht nötig.
»Heute ist doch der Stapellauf des Kochlöffelgeschwaders!«, erklärte Guido Schmälzle. Der Wanderführerautor trug anlässlich dieses Ereignisses extra eine karierte Kochhose mitsamt Chefkochpapiermütze. Er plante, ein Foto mit Selbstauslöser zu schießen und es auf seine Facebookseite zu stellen.
»Kochlöffelgeschwader?«, fragte Seifferheld und verstand nur Bahnhof.
Da trat Bocuse ein. Der Küchengott, Meister des Kochlöffels. Ihr ehemaliger VHS-Männerkochkursleiter.
»Ah, meine lieben Jüngs, ihr seid schon da , magnifique. Dann wir fangen an.«, begrüßte er alle und klatschte in die Hände.
» Womit fangen wir an? Wieso seid ihr alle hier?« Seifferheld donnerte mit seinem Stock auf den Steinboden der Kneipe, um sich mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.
»Siggi, ’ast du die Rundmail nischt gelesen?« Bocuse klang vorwurfsvoll. Er hieß eigentlich François Arnaud, war Franzose und hatte monatelang vergeblich versucht, den Männern im Volkshochschulkurs das Kochen beizubringen. Spektakulärer war noch nie jemand gescheitert.
»Das macht er doch nie. Ich hab gleich gesagt, den müssen wir anrufen, sonst kommt er nicht«, warf Mathelehrer Horst ein, der noch ganz fest an die guten alten Telefonketten glaubte. Mit dem Festnetz.
»Aber jetzt ist er da, also ist doch alles in Ordnung«, konstatierte Gotthelf, der fand, dass man nicht wissen musste, warum man einen Sechser im Lotto hatte, man musste die Millionen nur dankbar annehmen.
Klempner Arndt nickte. »Macht hinne«, rief er, »ich hab Bereitschaft.«
»Très bien«, rief Bocuse, » alors, isch ’abe frohe Kunde, Jüngs. Wir ’aben einen Verlag!« Früher hätte er dazu mit einem Holzkochlöffel einen Tusch geschlagen, aber seit seinem vorzeitigen
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