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Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)

Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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Schmälzle, der sich als Autorität auf dem Gebiet jedweder Literatur sah, auch wenn er nur Wanderführer schrieb.
    »Also …«, fing Seifferheld neuerlich an und geriet ins Stocken. Kam denn keinem seiner Kumpels der Gedanke, dass man die Gerichte, die man fotografieren wollte, vorher gekocht haben musste? Wer von ihnen sollte denn bitte schön kochen, sie waren doch allesamt vollkommen kochkenntnislos? Wollten die Jungs etwa einen Fremdkoch engagieren?
    »Die Leute werden uns das Büch aus die Hände reißen«, prophezeite Bocuse.
    »Herrschaften!«, mahnte Seifferheld.
    Er wollte ihnen sagen, dass sie sich mit diesem Projekt übernahmen. Dass sie keine Ahnung vom Schreiben und vom Kochen hatten, geschweige denn davon, wie man beides sinnvoll zusammenführte. Ihre Rezepte würden bei den Leuten, die sie nachzukochen versuchten, nur zu Sodbrennen und/oder Übelkeit führen. Wenn nicht noch schlimmer. Er sah eine Prozesswelle auf seine Kochkurskumpels zurollen. Vergiftungsfälle in Notaufnahmen. Den ersten Kochbuchtoten.
    »Herrschaften!«
    Aber es war aussichtslos, denn nichts ist verführerischer als die Aussicht auf die Erfüllung aller Wünsche.
    »We are the champions«, stimmte Arndt an, der neben Frauen und Abflussrohren auch Musik liebte. »We are the champions«, fielen alle mit ein und schwenkten ihre Bierflaschen. Olga schwenkte ihr Feuerzeug. Onis kam unter dem Tisch hervorgekrochen, schüttelte sein bernsteinfarbenes Fell, sammelte sich kurz und fing dann an zu heulen. Nicht schön, aber laut. Und mit all der Intensität, die der Nachfahre eines wilden Wolfes in sein Geheul hineinlegen konnte. Nur dass es nicht wild klang, nicht nach der Freiheit der Steppe oder dem Mysterium der Wälder, auch nicht nach den würdevollen Mondgesängen seiner Hovawart-Vorfahren, sondern atonal daneben, als hätte man eine Katze in einen Mixer geworfen und auf den Ein-Knopf gedrückt.
    Gleich darauf ging die Tür auf, und zwei grauhaarige Damen in bunten Filzkleidern traten ein. Sie sahen sich mit strengem Blick um.
    »Wird hier ein Tier gequält?«

4. Szene
    (Sonntag, halb zwölf, ein deutscher Marktplatz, Sonne, Wind)
Aus dem Polizeibericht
Die Polizei fahndet nach zwei dreisten Handtaschenräuberinnen, die sich vorgestern Nachmittag in den Ackeranlagen im Abstand von einer Stunde völlig überraschend von hinten an ältere Passantinnen (67 und 81 Jahre) anschlichen und ihnen die Handtaschen entrissen. Hinweise zu den noch unbekannten Räuberinnen, die laut Aussagen der Opfer um die 15 Jahre alt und nuttig gekleidet gewesen sein sollen, nimmt jede Polizeidienststelle entgegen. Schaden entstand aber keiner, weil die 67-Jährige nur ihr Strickzeug und die 81-Jährige nur ca. 40 D-Mark (ja, DM) spazieren getragen hatten.
Ich will nicht in meiner Arbeit weiterleben. Ich will in meiner Wohnung weiterleben. (Woody Allen)
    Vom Chez Klaus kommend zur Unteren Herrngasse hätte er nicht über den Marktplatz gehen müssen, aber Seifferheld ging gern über den Marktplatz. Es war kurz nach elf, die Gottesdienstbesucher waren schon nach Hause geströmt, und er wollte sich, wie er das beinahe täglich tat, für einen kurzen Augenblick mit dem Rücken an die Rathausmauer lehnen und sich im Angesicht des schönsten Marktplatzes Deutschlands und der Ehrfurcht gebietenden, über achthundert Jahre alten St.-Michael-Kirche meditativ sammeln. Das war gerade heute nötiger denn je.
    Als er dann um die Ecke bog, fand er mitnichten einen sonntagsstillen Marktplatz vor, sondern vielmehr geschäftiges Treiben.
    Der große Platz war mit rot-weißen Plastikketten abgesperrt, an denen in regelmäßigen Abständen kleine Schilder baumelten: FREILICHTSPIELE – PROBEN! BITTE RUHE! Ordner in roten Polohemden, auf denen ORDNER stand, patrouillierten über den Platz. Auf der Treppe standen Schauspielerinnen und Schauspieler in ihrer Alltagskleidung und warteten auf ihren Einsatz.
    Jeden Sommer wurden insgesamt drei Stücke auf der Großen Treppe von St. Michael aufgeführt, es war also nur normal, dass nach der Premiere des ersten Stückes die Proben für das zweite anfangen mussten. Aber doch nicht heute? Nicht an dem Morgen, an dem man die grausam zugerichtete Leiche der Hauptdarstellerin des Premierenstückes gefunden hatte?
    Seifferheld und der nicht angeleinte Onis nahmen ihren Platz an der Rathausmauer ein. Prompt kam ein Ordner auf sie zu. Seifferheld kannte ihn vom Sehen, ein pensionierter Briefträger, der früher die Post in der Unteren

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