Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
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»Bis zehn Uhr liegt Ihnen der Polizeibericht vor«, versprach Seifferheld vollmundig und nahm sich vor, dieses Mal besonders frech zu formulieren.
»Gut«, sagte sie, verschränkte die Arme, presste die Lippen aufeinander und blieb einfach stehen.
Seifferheld wusste, wann er sich geschlagen geben musste. Er winkte noch einem Streifenbeamten zu, aber der tat so, als könne er ihn nicht sehen, obwohl Onis gerade das Dombrowski-Begrüßungsritual an ihm nachspielte.
Seifferheld pfiff nach dem Hovawart und zuckelte davon.
Eine sehr blasse junge Frau – er wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass sie Biggi hieß – lehnte drüben an der Hauswand und starrte ihm unverwandt nach.
3. Szene
(Sonntag, zehn Uhr, die Glocken läuten zum Gottesdienst)
Aus dem Polizeibericht
Jetzt sind es nur noch zwei: Einer der drei noch in Freiheit verbliebenen Schwäbisch Hällischen Eber, die aus ihrem Stall bei Kupferzell ausgebüxt waren, wurde von einem Jäger mit Blattschuss erlegt. Das habe sich nicht vermeiden lassen, erklärte dieser später, es habe die Gefahr bestanden, dass der Eber auf die stark befahrene Straße in Richtung Künzelsau laufen würde. Ein Betäubungsgewehr sei auf die Schnelle nicht zu besorgen gewesen. Die beiden noch flüchtigen Eber werden im Wald vermutet. Vor zehn Tagen hatten neun Eber den Schlag des elektrischen Zaunes in Kauf genommen und waren ausgerissen, um einmal den Duft der Freiheit zu riechen, bevor sie zu Wurst verarbeitet werden. Nach und nach gelang es, sechs von ihnen wieder einzufangen. Das Tempolimit auf der Landesstraße wurde aufgehoben. Der erschossene Eber wird nicht der Wurstverarbeitung zugeführt, wie von offizieller Stelle verlautbart wurde.
Jeder trägt genug Geschichten für ein Buch in sich. Aber genau da sollten sie auch bleiben. (Russell Lynes)
Wenn ein erwachsener Mann Frust schiebt, gibt es nur einen Ort, an dem er sich Trost verschaffen kann, einen Ort, an dem er nicht nur Gehör, sondern auch Verständnis findet: seine Stammkneipe.
Nachdem Seifferheld seinen Polizeibericht in den Laptop getippt und per E-Mail abgeschickt hatte, humpelte er zusammen mit Onis und dem rosa Teddy zu Chez Klaus.
Das Chez Klaus hatte sonntagmorgens um zehn Uhr natürlich noch nicht offiziell geöffnet, aber Seifferheld war nicht einfach nur ein Stammgast, er war der beste Freund des Besitzers, der gerade die Holztische mit einer Bürste abschrubbte.
»Klausi, du haben da noch übersehen eine Fleck!«, rief Putzfrau Olga von ihrem Hocker an der Theke, und etwas Asche rieselte von ihrer Zigarette auf den frisch geputzten Fußboden.
»Oh, tatsächlich, danke, Olga!« Klaus bürstete sich zum Fleck zurück.
Olga war die Putzfrau der Seifferhelds. Oder besser gesagt, die Nicht-Putzfrau. Sie war ganz groß darin, kettenrauchend durchs Haus zu laufen, etwaige Verschmutzungen kritisch zu beäugen und die Bewohner darauf aufmerksam zu machen, während immerzu lautlos ihre Zigarettenasche zu Boden rieselte. Das war ärgerlich gewesen, denn schließlich wurde sie ja bezahlt, und jeder andere hätte sie längstens gefeuert. Doch Olga war nicht einfach nur eine Putzfrau, sie war gewissermaßen ein Kampfschauplatz auf zwei Beinen, auf dem Irmi und Susanne Seifferheld um ihre Vorrangstellung stritten. Zu guter Letzt hatte Olga einen gut betuchten deutschen Rentner geehelicht und musste nicht mehr arbeiten. Allerdings hatte sie sich an die Besuche bei den Seifferhelds so gewöhnt, dass sie den Hausschlüssel behalten hatte und weiterhin kettenrauchend vorbeischaute. Das machte sie seit neuestem – ihr Rentnergatte lag mittlerweile unter der Erde – auch bei Klaus, Seifferhelds bestem Freund und frischgebackenem Kneipenwirt.
»Morgen, Siggi. Ein Mohrenköpfle?«
»Kein Bier zum zweiten Frühstück. Aber einen Kaffee würde ich nehmen.«
»Ich auch nehme«, sagte Olga. »Und Butterbrezel, wenn gibt.«
Klaus ging zu dem auf Hochglanz polierten, vollautomatischen Kaffeeautomaten, öffnete eine Klappe, holte einen Plastikschuber voller Wasser heraus, goss das Wasser in einen danebenstehenden Wasserkocher und schaltete ihn ein.
Er war unfähig, mit dem funkelnden italienischen Hochleistungskaffeeautomaten umzugehen. Im Grunde war er auch unfähig, eine Kneipe zu führen. Aber Klaus war ein reicher Erbe, auf das Geld nicht angewiesen, und als sein ehemaliger Kochkurslehrer Bocuse ein französisches Bistro in Schwäbisch Hall eröffnen wollte, streckte er ihm nicht nur das Geld vor, er fand
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