Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
Wäsche!«
Der Techniker gab ihm ein Zeichen. Nur noch Zeit für zwei weitere Anrufer.
»Unser nächster Sticker heißt Willi und kommt aus Mainhardt. Willi, welche Stickfrage brennt Ihnen unter den Nägeln?«
»Mainä Fragäh: Wann sollän Männer stickän lärnän? Im Kindärgarrtänn odär auf där Univärrsitätt?«
Seifferheld war mittlerweile ungewöhnliche Fragen gewöhnt. Er zuckte mit keiner Wimper. »Je eher, desto besser. Wir sind auf einem guten Weg, seit Mädchen Werkunterricht und Jungs Handarbeitsstunden an den Schulen belegen dürfen. Wir müssen den Kindern möglichst früh sämtliche Optionen aufzeigen, damit sich ihre Talente frei entfalten können. Nur so finden sie ihr Lebensglück.« Seifferheld hatte sich so richtig schön warm geredet. »Wer ist der Nächste? Wen kann ich jetzt zum glücklichen Sticker machen?«
Okay, vielleicht übertrieb er es manchmal, aber seit er sich geoutet hatte, wollte er der ganzen Welt zurufen, wie toll das Männersticken war. Manbroidery forever!
»Hier Kilian von Krottwitz, Sie erinnern sich? Natürlich erinnern Sie sich.«
Es war ärgerlich angesichts so viel Selbstbewusstseins, aber dummerweise erinnerte sich Seifferheld tatsächlich an den Mann von Frau Söback, der ihn unbedingt für ein Landesschau -Interview gewinnen wollte.
»Liebe Hörer, liebe Stickfreunde, lassen Sie mich Ihnen sagen, wen wir da am Apparat haben: Herr von Krottwitz ist von der Landesschau. Er will Ihren – Euren – Siggi zu einem Interview einladen. Sticken für Männer, endlich auch im Fernsehen«, verkündete Seifferheld frohen Mutes. Wenn der Mann öffentlich in seiner Sendung anrief, dann musste ihm wirklich sehr daran gelegen sein, ihn vor die Kamera zu holen. Seifferheld wollte sich jetzt nicht lange zieren. Im Angesicht einer Herausforderung pflegte er nicht zu kneifen! Das Schicksal hielt offenbar Großes für ihn bereit. Man musste seine Komfortzone verlassen, wenn man wachsen wollte!
Krottwitz räusperte sich. »Ja, äh, nein, ich wollte Sie nur etwas fragen und finde den Zettel mit Ihren Kontaktdaten nicht, und als die Telefonnummer in Ihrer Sendung durchgegeben wurde, habe ich einfach die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, wobei ich nur Ihre Sendungsassistentin um einen Rückruf bitten wollte, aber Sie haben offenbar kein Call Screening.«
Es klang vorwurfsvoll.
»Nein, mich erreicht man immer direkt«, erwiderte Seifferheld, nicht ohne Stolz angesichts seiner Volksnähe. »Schießen Sie los, was wollten Sie fragen?«
Krottwitz zögerte kurz. »Ich wollte wissen, ob es auch mit Musik geht?«
»Wie bitte?« Seifferheld konnte nicht ganz folgen.
»Bei uns hat sich eine jodelnde Strickerin aus Biberach gemeldet. Sie jodelt die Melodie von Auf de Schwäb’sche Eisebahne, während sie bunte Babysocken stickt. Sie wissen schon: Schtuegert, Ulm ond Biberach, Meckebeure, Durlesbach. Das ist natürlich so gut wie unschlagbar. Wenn Sie beim Sticken keine musikalische Untermalung im Angebot haben, kommen wir leider nicht zusammen.«
»Musikalische was?«
»Jodeln Sie beim Sticken? Spielen Sie Dudelsack? Steppen Sie mit den Füßen? Irgendwas, was auch optisch gut rüberkommt? Sticken allein bringt es nicht.«
Seifferheld war sprachlos. »Nein … äh … ich sticke nur.«
»Schade«, sagte von Krottwitz. »Dann wird das leider nichts. Grüß Gott.«
Der Techniker gestikulierte schon seit einer Weile wie wild.
Seifferhelds Sendezeit war abgelaufen. Nur noch wenige Sekunden bis zur Werbung.
»Ich muss leider schließen«, sagte Seifferheld stockend, noch unter Schock stehend. »Aber schalten Sie auch nächste Woche wieder zu, wenn es heißt: Welches Garn …«
Zack. Da kam schon die Werbung.
Die Zuhörer würden entweder erst nächste Woche erfahren, um welches Garn es ging, oder eben nie mehr.
In diesem Leben würde es Seifferheld nicht mehr lernen, auf den Sekundenbruchteil pünktlich zum Schluss zu kommen.
»War heute wieder eine gute Sendung«, redete Seifferheld dem Techniker, aber vor allem sich selbst ein und erhob sich mühsam aus dem etwas zu durchgesessenen Studiosessel. Es wurde Zeit, dass ihn sein Masseur mal wieder ordentlich durchknetete. Seine Hüfte schmerzte.
Der Tontechniker brummte etwas Unverständliches.
Seifferheld erlöste Onis, der während der Sendung in der Kaffeeküche des kleinen Studios warten musste, weil er grundsätzlich zu laut hechelte und daher nicht im Aufnahmeraum liegen durfte.
Die beiden traten hinaus in den kleinen
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