Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
gelben Fela junior erst erklärt hatte, der schwarze Fela könne unmöglich der Vater sein, und anschließend, dass weder Karina noch Fela die Eltern sein könnten. Weil Fela junior sonst kariert hätte sein müssen, schwang in seiner Erklärung mit, auch wenn er das selbstverständlich nicht so formulierte. Karinas und Felas Einwand, dass Fela im Kreißsaal gefilmt hatte, wie sein Junior geschlüpft war, prallte an Dr. Wong ab. Aber sonst war er ein Netter. Immer freundlich, immer gut drauf, immer sächselnd. Er stammte nämlich aus Dresden. Auch wenn man auf den ersten Blick auf Shanghai getippt hätte.
»Was für eene Freude, die Seifferheld-Nnekas!«, rief er, schüttelte Karina und Fela die Hand und machte »dutzi, dutzi, dutzi«, während er dem friedlich schlafenden Fela junior die Stirnlocke kraulte.
»Sind Sie alle wohlauf?«, erkundigte er sich.
»Alle bis auf meine Tante Marianne«, sagte Karina.
Marianne ging in diesem Moment das Herz ganz weit auf. Karina hatte sie Tante genannt. Sie war jetzt eine Seifferheld!
Ihr Blick wanderte zu ihrem Siggi.
Der starrte angestrengt die weiße Krankenzimmerwand an. Nur jetzt nicht, aus dem Schock der Geschehnisse heraus, überreagieren und einen Antrag machen. Nur das nicht!
»Nu, wo klemmt’s denn?«, fragte Dr. Wong und betrachtete Marianne. »Ach, ich weiß schon, Sie sind das Ohrläppsche. Jö, wenn’s weiter nix is.«
Er drehte sich wieder zu den anderen um. »Wissen Sie, ich gomme ja gerade von der Intensivstation. So was hab ich mein Lebtag noch nich erläbt. Dutzende Pilzvergiftungen. Es ist mir ein Rätsel!«
Seifferheld war das kein Rätsel. Das Chez Klaus würde nicht mehr lange geöffnet bleiben.
»Nä, das is kein schöner Anblick, das kann ich Ihnen sagn. Und gut riechen tut’s auch nich.«
Dr. Wong schüttelte den Kopf.
»Aber jetzt muss ich weiter. Da hat irgend so ein Rabauke seinen BMW auf den Stellplatz von meinem Porsche gestellt. Das geht so natürlich nicht. Isch werd ma gleich die Bolizei informieren.«
Winkend verließ er das Zimmer.
Susanne hielt es exakt fünf Sekunden aus. Dann lief sie los, um ihren BMW umzuparken.
Das Schöne an zeitgenössischer Musik ist, wenn man mal danebenspielt, merkt es keiner. (Gordon Brown)
Völlig übernächtigt fand sich Seifferheld kurz vor neun zusammen mit Onis im SWR-Studio in der Gelbinger Gasse ein. Es war der Tag seiner Sticksendung, und er war durch und durch pflichtbewusst.
Eine Stunde zuvor war seine Marianne endlich eingeschlafen. Ihr Kreislauf war stabil geblieben. Der behandelnde Arzt hatte ihm versichert, dass ihr Ohr gut abheilen würde, auch wenn künftig die Symmetrie etwas gestört wäre, aber Frauen hätten ja die Möglichkeit, mit ihrer Frisur einiges zu kaschieren.
Am liebsten hätte er sich zu ihr ins Bett gelegt, aber nein, seine Hörer warteten auf ihn. Alle …
… keine Ahnung, wie viele. In seinen dunklen Stunden hatte er das Gefühl, es seien er und das Mikrofon und sonst niemand, nur der endlose Äther. Und heute war so eine dunkle Stunde. Seifferheld wusste, dass das allein an seinem Schlafmangel lag, aber das machte es nicht besser.
Für wen machte er das alles eigentlich? Zynisch kam er zu dem Schluss, dass immer nur dieselben Männer anriefen. Exakt drei an der Zahl: Eberhard, ein pensionierter Lehrer, der Gobelins stickte; Frank, ein Webdesigner mit sichtlich zu wenig Aufträgen und Kreuzstichfan; und ein Herr Müller, der immer nur meckerte, weil Seifferheld ihm nicht intellektuell genug an das Thema Sticken heranging, eine Kunst, die schließlich Tausende von Jahren alt war und die kulturell-ästhetische Entwicklung der Menschheit vorangetrieben hatte. Oder so ähnlich.
Seifferheld hatte an diesem Morgen auch überhaupt nichts vorbereitet. Sonst suchte er sich immer ein Thema aus: Motive konvertieren, Weißstickerei für Fortgeschrittene oder die besonderen Herausforderungen von großen Männerhänden bei fragilen Nadelarbeiten.
Aber heute wollte er einfach nur Fragen beantworten, und er hoffte bei Gott, dass Fragen gestellt würden.
Der Tontechniker war bereits anwesend, als Seifferheld um fünf vor neun eintrudelte. Unrasiert. Ungeduscht. Unbegeistert.
Aber nicht nur der Tontechniker war da.
Auch Erwin Euler.
»Sie dachten wohl, ein Politiker lügt, wenn er nur den Mund aufmacht, oder? Ich habe gesagt, dass ich in Ihre Sendung komme, und hier bin ich.«
Seifferheld fehlten die Worte.
Die Frau dieses Mannes saß wegen Doppelmord und Mordversuch
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