Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
möbliertes Zimmer irgendwo in der Stadt zurückzuradeln.
Nur Biggi und Roger blieben auf ihrem Mäuerchen sitzen, balzten und kneteten ihre Weichteile und küssten sich, bis sie schließlich eng umschlungen nach hinten ins hohe Gras des Nachbargartens fielen.
Was keiner mitbekam außer der Eule, die oben auf dem Baum eine Maus verdaute.
Und Denis, der sich immer noch im Dunkeln als Spanner betätigte und mit schmollend aufgeworfenen Lippen und knitterfaltig gerunzelter Stirn dachte, dass das wohl das Schlimmste war, was er je gesehen hatte. Zu diesem Zeitpunkt mochte das auch noch zutreffen, keine drei Stunden später jedoch schon nicht mehr, denn nachdem er, die Hände tief in den Hosentaschen seiner Jeans vergraben, einmal zur Tankstelle an der Friedensbrücke und wieder zurückgelaufen war, wobei er sich verlaufen hatte, weswegen das alles deutlich länger als geplant dauerte, musste er dringend das Bier entsorgen, das er sich an der Tanke gekauft und auch gleich getrunken hatte. Zu diesem Zweck betrat er das Badezimmer im Erdgeschoss des Wohnheims, in dem sich auch eine Kloschüssel befand, wie er wusste, und während er sich in einem schier endlosen Strahl erleichterte, hatte er urplötzlich das Gefühl, nicht allein zu sein. Da er aber das Badezimmerlicht nicht eingeschaltet hatte und das Flurlicht nicht das ganze Bad ausleuchtete, sondern nur den Klobereich, pullerte er erst zu Ende, schüttelte ab, ratschte den Reißverschluss hoch, ging zur Tür, drückte auf den Lichtschalter, drehte sich um und … erbrach gleich darauf die Häppchen aus dem Rathaus, die Cocktailwürstchen vom Grillfeuer und noch einen halben Liter Restflüssigkeit aus dem Mageninnenraum.
Sie bot aber auch einen höchst unappetitlichen Anblick, wie sie so in der Badewanne lag. Tot. Mit durchschnittener Kehle. Über dem Wannenrand hängend, der Kopf fast vom Körper abgetrennt. Darüber ein gefaltetes Handtuch, so dass man eigentlich nicht sehen konnte, um wen es sich handelte, aber Denis Lützel erkannte die Tätowierung über ihrer rechten Brust. Es gab nur eine einzige Frau im Ensemble mit einem Delphin auf dem Busen.
Salina Tressler, der aufsteigende Stern, war untergegangen.
1. Akt
1. Szene
(Schwäbisch Hall, Untere Herrngasse, früher Morgen, Sonntag)
Aus dem Polizeibericht
Das rote Damenfahrrad der Marke »Carucci« (siehe Bild), mit dem der Täter nach einem Überfall auf eine Tankstelle in der Stuttgarter Straße geflohen war, wurde von der Kriminalpolizei im Laufe des Freitags in der Nähe des Schwäbisch Haller Bahnhofs aufgefunden und sichergestellt, es wird derzeit kriminaltechnisch untersucht. Der Unbekannte hatte am späten Freitagabend versucht, unter Vorhalt einer Schreckschusspistole die Tageseinnahmen einzufordern. Ein anwesender Kunde konnte ihn jedoch mit seinem Stockschirm in die Flucht schlagen. Die Identität des Täters ist noch unklar. Warum er ein rotes Damenfahrrad als Fluchtfahrzeug wählte, ebenfalls.
Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß. (Joachim Ringelnatz)
Siggi Seifferheld salzte nach und philosophierte. Jede Beziehung, die länger dauert, als man braucht, um eine Hustenpastille zu lutschen, ist eine Herausforderung. Aber jede Beziehung, die danach noch hält, ist es wert.
Siggi Seifferheld war nun schon zwei Jahre der Mann an Mariannes Seite. Oder Marianne war die Frau an Siggis Seite. War ja immer eine Frage der Betrachtung.
Ihr Versuch, im alten Seifferheld-Stammhaus in der Unteren Herrngasse zu Schwäbisch Hall ein gemeinsames Nest aufzubauen, war allerdings kläglich gescheitert. Vielleicht sollte man alte Bäume wirklich nicht mehr verpflanzen. Solange sie getrennt wohnten und Marianne in ihrem Single-Apartment Im Lindach lebte und sie sich nur dann sahen, wenn sie Lust aufeinander hatten und sie vor allem nicht immer dann ins gemeinsame Wohnzimmer platzte, wenn er dort gerade andere Frauen empfing – natürlich völlig harmlos! –, lief es viel besser. Die Vorteile überwogen, auch wenn er bisweilen morgens aufwachte und Lust auf einen schlafwarmen Frauenkörper hatte, aber kein schlafwarmer Frauenkörper neben ihm lag, so wie an jenem Morgen. Stattdessen hatte er lange geduscht und sich dann ein Neun-Minuten-Ei zu seiner Frühstücksbrezel gekocht.
Die Quintessenz seiner Eierphilosophie musste wohl lauten: Ja, er war mit seinem Leben zufrieden!
Da ging die Tür auf, und seine Schwester Irmgard kam herein.
»Mein Gott, Siggi, wie siehst du denn aus?«
Er sah aus, wie man als
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