Gestohlene Leidenschaft
Lippen zusammenpresste und schnell den Blick abwandte, erkundigte er sich leise: „Spricht etwas dagegen?“
„Nein.“
Sehr überzeugend klang das nicht. Deshalb bespritzte er sie noch ein wenig mehr und stellte erleichtert fest, dass sie lächelte. Ihre Augen leuchteten plötzlich auf.
„Sie haben es ja nicht anders gewollt.“
Abwartend beobachtete er, wie sie die wunderschönen, langen Finger durchs Wasser gleiten ließ, und war deshalb abgelenkt, als sie plötzlich mit der flachen Hand aufs Wasser schlug und eine Fontäne sich über ihn ergoss. Lachend wischte er sich die Tropfen aus den Augen. Das hatte er nun wirklich nicht von Grace erwartet!
„Selbst Schuld“, erklärte sie vergnügt.
„Ja.“ Sie war unglaublich begehrenswert, und ihr Lächeln raubte ihm den Atem. Alle Befürchtungen, dass es zu schnell ginge und zu ernst wäre, lösten sich in Wohlgefallen auf. Er begehrte sie. Das allein zählte. Er machte einen Schritt auf sie zu. Reglos sah sie ihn an. Beim nächsten Schritt spürte er ihren Atem auf seinem Gesicht. Khalis beugte sich vor und küsste sie.
Es war ein ganz zärtlicher Kuss, bei dem sich ihre Lippen kaum berührten. Und doch erbebte Grace. Ihr Mund öffnete sich leicht, aber es fühlte sich nicht an, als würde sie nachgeben. Sie war wohl nur überrumpelt. Behutsam umfasste er mit einer Hand ihr Gesicht und staunte über ihre pfirsichzarte Haut. Der Kuss dauerte nur wenige Sekunden. Dann war er vorbei, denn Grace atmete bebend aus und wich zurück. Ihre Augen groß vor Schock und Ärger.
„Grace …“
Bevor er fortfahren konnte, kletterte sie aus dem Pool, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her und rannte zurück ins Haus.
5. KAPITEL
Wie konnte ich nur!
Wütend auf sich selbst rannte Grace ins Haus, die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer, warf die Tür hinter sich zu und schloss ab, als fürchtete sie, Khalis würde hinter ihr herjagen.
Außer Atem riss sie sich den Badeanzug vom Körper und stellte sich unter die Dusche.
Was habe ich mir nur dabei gedacht, mit Khalis herumzualbern? Natürlich fühlte er sich dadurch ermuntert, mich zu küssen. In dem Moment hatte Grace sich sogar danach gesehnt. Seine Lippen auf ihren zu spüren, seine zärtliche Hand auf ihrer Wange – was für ein bittersüßes, wundervolles Gefühl. Bis ihr Verstand sich eingeschaltet hatte und ihr wieder bewusst geworden war, was für sie auf dem Spiel stand.
Es geht nicht nur um Katerina, dachte sie traurig, sondern auch um meine Freiheit und mein Seelenheil. Die Ehe mit Loukas hätte fast ihr Leben zerstört. Fast wäre es ihm gelungen, ihre Persönlichkeit völlig zu vernichten. Erst durch die Arbeit bei Axis hatte sie langsam wieder zu sich selbst gefunden. Inzwischen war ihr unbegreiflich, wie sie sich so lange seinem Willen hatte unterwerfen können. Andere Menschen empfanden in einer Ehe gemeinsame Freuden. In ihrer Ehe mit Loukas hatte nur frostiges Schweigen und gähnende Leere geherrscht. Auch jetzt fühlte sich ihr Leben ohne Katerina leer an. Doch immerhin bin ich wieder ich selbst geworden, dachte Grace. Ich bin stark und unabhängig. Und das durfte sie nicht aufs Spiel setzen, weil ein Mann sie geküsst hatte. Auch wenn Khalis’ unendliche Zärtlichkeit sie tief berührt hatte. Durch seine sanfte Liebkosung war ihr erst bewusst geworden, wie einsam und zutiefst unglücklich sie tatsächlich war.
Deprimiert stellte Grace das Wasser ab und verließ die Duschkabine. Jetzt half nur eins: Arbeit. Mit Arbeit lenkte sie sich immer von ihren Problemen ab. Eilig zog sie sich wieder an, band das feuchte Haar zum Pferdeschwanz zusammen und machte sich auf den Weg in das von Balkri Tannous bemerkenswert gut ausgestattete Labor. Alles, was man zur Untersuchung von Gemälden brauchte, stand ihr hier zur Verfügung, einschließlich Infrarotkamera und Mitteln zur Pigmentanalyse und Bestimmung des Holzalters.
Eric hatte ihr ein Passwort für den Lift gegeben, damit sie jederzeit in den Tresorraum gelangen konnte. Im Labor klappte sie den Laptop auf und betrachtete die Inventarliste. Es fehlten nur noch wenige Werke, die sie mit dem Verzeichnis gestohlener Kunstwerke abgleichen musste. Das würde ein bis zwei Stunden dauern, konnte aber noch einen Moment warten.
Grace stand auf und ging in den kleinen Raum mit den beiden Renaissancegemälden. Zu diesem Raum hatte ganz offensichtlich nur Balkri Tannous Zugang gehabt. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie die beiden auf Holz gemalten
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