Gestohlene Leidenschaft
es war, sich mit einem Mann zu unterhalten, der sich für ihre Arbeit interessierte. Loukas hätte es am liebsten gesehen, wenn sie ihren Beruf ganz aufgegeben hätte. Eine Zeit lang war sie dieser Bitte nachgekommen, doch die Arbeit hatte ihr schrecklich gefehlt.
„Dann will ich Sie jetzt lieber nicht länger aufhalten“, sagte Khalis. Grace nickte bereitwillig. Sie hatte zwar nur eine halbe Scheibe Toast gegessen, aber mehr bekam sie sowieso nicht hinunter. Sie hatte einfach keinen Appetit.
„Eric begleitet Sie nach unten. Bitte sagen Sie Bescheid, wenn Sie etwas brauchen.“ Khalis schenkte ihr noch ein höfliches Lächeln, ergriff sein Tablet-PC und verließ das Frühstückszimmer.
Grace sah ihm nach und musste sich widerstrebend eingestehen, dass sie sich plötzlich sehr einsam fühlte.
Den Rest des Tages verbrachte sie mit der Recherche im internationalen Verzeichnis gestohlener Kunstwerke. Das Ergebnis entmutigte sie. Wie bereits vermutet, waren die meisten Gemälde tatsächlich gestohlen worden. Zwar erleichterte ihr das die Begutachtung, aber die Tatsache, dass diese Kunstwerke der Allgemeinheit so lange vorenthalten worden waren – manche sogar über Generationen hinweg – betrübte sie.
Zur Mittagszeit brachte ihr die junge Frau, die hier offensichtlich alle Mahlzeiten servierte, belegte Brote und Kaffee. „Mr Tannous sagt, Sie müssen etwas essen“, erklärte sie in holprigem Englisch. Grace freute sich über seine Fürsorglichkeit, war aber gleichzeitig enttäuscht, dass er sich nicht blicken ließ.
Wie dumm von ihr, sich einzubilden, er würde ihr beim Essen Gesellschaft leisten! Seufzend stellte sie sich auf einen einsamen Nachmittag ein. Sie wusste selbst nicht genau, warum sie so enttäuscht war. Schließlich war sie es doch gewohnt, allein zu arbeiten. Stirnrunzelnd konzentrierte sie sich wieder auf die Arbeit am Laptop.
Sie war völlig vertieft in die Recherche und hatte jedes Zeitgefühl verloren, als es plötzlich an der Tür zum Labor klopfte, in dem sie vorübergehend ihr Büro eingerichtet hatte. Die Tür ging auf, und Khalis kam herein. Er trug Surfshorts und T-Shirt. Sein Haar war zerzaust.
„Sie sind jetzt seit acht Stunden hier unten.“
Grace blinzelte erstaunt. „Wirklich?“
„Wirklich. Es ist achtzehn Uhr.“
Die Freude, ihn zu sehen, überwältigte sie. „Ich war ganz vertieft in meine Arbeit“, erklärte sie lächelnd.
Khalis erwiderte ihr Lächeln. „Das erscheint mir auch so. Ich wusste gar nicht, dass es so faszinierend ist, Gutachten zu erstellen.“
„Ich habe alle Werke mit …“
„Das will ich jetzt gar nicht hören, Grace. Für heute haben Sie genug gearbeitet. Nun wird es Zeit zum Entspannen.“
„Entspannen?“, fragte sie misstrauisch. Khalis und Eric schienen viel Wert darauf zu legen. Doch sie war entschlossen, auf der Hut zu sein und Khalis nicht erneut eine Gelegenheit zu geben, ihr nahe zu kommen.
„Genau. In einer Stunde geht die Sonne unter, und vorher würde ich gern schwimmen gehen.“
„Dann lassen Sie sich nicht aufhalten.“
„Ich möchte, dass Sie mitkommen.“ Aufmunternd lächelte er ihr zu.
Sofort begann ihr Herz schneller zu klopfen. „Aber ich …“
„Jetzt behaupten Sie bitte nicht, Sie könnten nicht schwimmen. Ich bringe es Ihnen gern bei. Wir fangen mit Armrudern an.“ Er demonstrierte, was er meinte.
Sie lachte amüsiert. „Keine Sorge, ich weiß schon, wie ich mich über Wasser halte.“ Seltsam, wie leicht das Leben sich plötzlich anfühlte und wie glücklich sie in Khalis’ Gesellschaft war. Das war genauso gefährlich wie seine körperliche Anziehungskraft. Deshalb versuchte Grace, die Einladung abzulehnen. „Ich sollte hier wirklich weitermachen.“
Doch Khalis schüttelte den Kopf. „Ununterbrochene Arbeit ist schädlich. Insbesondere nach dem Migräneanfall gestern Abend. Mittagspause haben Sie auch nicht gemacht. Für heute ist Schluss mit der Arbeit, Grace.“
„Die meisten Arbeitgeber bestehen nicht darauf, dass ihre Angestellten freimachen.“
„Zu denen zähle ich mich nicht. Außerdem sind Sie nicht bei mir angestellt, Grace. Ich bin Ihr Kunde.“
„Trotzdem.“
„Es ist allgemein bekannt, dass Menschen effizienter arbeiten, wenn sie gut erholt und entspannt sind. Jedenfalls weiß man das in Kalifornien.“ Auffordernd streckte er eine Hand aus. „Nun geben Sie sich schon einen Ruck!“
Seine Hand nehmen? Ihn berühren? Mit ihm schwimmen gehen? Ihn begehren? Nein, nein,
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