Gestohlene Leidenschaft
aus ihrer Haut heraus. Grace sehnte sich nach einer liebevollen, gleichberechtigten Partnerschaft, in der Geben und Nehmen sich die Waage hielten.
Doch das würde wohl für immer ein Wunschtraum bleiben. Sie durfte kein Risiko eingehen, so groß die Versuchung auch war, wenn sie an den unglaublich fürsorglichen, sanften, zärtlichen Mann dachte, der seit Tagen ihre Gedanken- und Gefühlswelt beherrschte. Wollte sie wirklich für einen Kuss, eine kurze Affäre alle Vorbehalte über Bord werfen? Würde sie wirklich schwach werden? Wieder einmal?
Erschrocken schrie sie auf, als sie plötzlich an den Schultern berührt wurde.
„Ich bin es nur“, sagte Khalis und lächelte ihr im Mondschein beruhigend zu.
„Du hast mich erschreckt.“
„Tut mir leid.“ Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück. „Aber du wärst fast mit mir zusammengeprallt.“
„Entschuldigung.“
„Schon gut.“
Grace war hin- und hergerissen. Einerseits sehnte sie sich danach, sich an ihn zu schmiegen, sich von seiner Körperwärme einhüllen zu lassen. Andererseits hätte sie am liebsten Reißaus genommen. Dieses Gefühlschaos wurde ihr langsam zu viel. Je eher sie der Insel den Rücken kehrte, desto besser.
„Wir könnten gemeinsam spazieren gehen“, schlug Khalis vor und ließ ihr den Vortritt, als sie nickte. Der Weg war zu schmal, um Seite an Seite zu gehen. Also schlenderte sie im silbrigen Mondschein durch die duftenden Blumengärten.
„Hast du als Kind hier gespielt?“, fragte sie schließlich neugierig.
„Manchmal.“
„Mit deinem Bruder?“
„Nein, eher nicht. Aber mit meiner …“ Er zögerte, gab sich dann aber einen Ruck. „Mit meiner Schwester.“
„Ich wusste nicht, dass du auch eine Schwester hast.“
„Sie ist tot.“
„Nein!“ Entsetzt wandte Grace sich um. Selbst im Dunkeln sah sie Khalis’ verschlossenen Blick. „Dann ist deine ganze Familie tot. Das tut mir sehr leid, Khalis.“
„Dir ist es ja auch nicht anders ergangen.“
„Nein.“ Sie schauderte. „Aber es muss schlimmer sein, auch noch seine Geschwister zu verlieren.“
„Meine Schwester fehlt mir“, gab er widerstrebend zu. „Ich hatte nicht einmal Gelegenheit, mich von ihr zu verabschieden.“
„Wie ist sie ums Leben gekommen?“
„Bei einem Bootsunfall, hier vor der Küste. Sie war neunzehn.“ Traurig schob er die Hände in die Hosentaschen. „Und sie sollte bald heiraten. Mein Vater hatte alles arrangiert, aber sie mochte den Auserwählten nicht.“
Grace zählte eins und eins zusammen und fragte entsetzt: „Du meinst, es war gar kein Unfall?“
Khalis ließ sich lange Zeit mit der Antwort. „Ich weiß es nicht. Möglich wäre es, denn sie war fest entschlossen, den Mann nicht zu heiraten.“
„Wie schrecklich.“
„Ja, das Leben kann ziemlich grausam sein. Manchmal sieht man keinen Ausweg mehr.“
„Leider“, stimmte Grace leise zu.
Er rang sich ein Lächeln ab. „Eigentlich spreche ich mit niemandem über meine Schwester. Aber wenn du bei mir bist, Grace, sage ich Dinge, die ich sonst niemals einem anderen Menschen anvertrauen würde. Wie kommt das?“
Ihr Herz begann schneller zu klopfen. „Ich weiß es nicht.“
„Aber du fühlst es doch auch, oder?“ Fragend schaute er sie an.
„Ja“, wisperte sie kaum vernehmbar. Sie wollte ihm nichts vormachen.
„Und es macht dir Angst.“
Natürlich tat es das! Grace atmete tief durch. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht …“
„Hör auf!“, bat Khalis rau. „Glaubst du, für mich ist das leicht?“
„Nein.“ Allerdings wirkte er ständig so entspannt und selbstsicher und nahm einfach hin, was zwischen ihnen immer stärker wurde. Sie hingegen war nur noch ein Nervenbündel.
„Vielleicht liegt es an der Insel“, murmelte Grace unsicher.
„Wie kommst du denn darauf?“
„Na ja, man fühlt sich hier irgendwie völlig losgelöst von Zeit und Raum. Weit entfernt von der Wirklichkeit. Hier können wir sagen und fühlen, was wir wollen.“
„Seltsam, ich hatte den Eindruck, du wüsstest nicht, was du fühlen möchtest“, sagte Khalis nachdenklich.
„Derartige Unterstellungen verbitte ich mir“, entgegnete sie ärgerlich.
„Bin ich der Wahrheit zu nahe gekommen, Grace?“
Schnell wandte sie den Blick ab. „Ich habe dir bereits erklärt …“
„Gar nichts hast du erklärt.“ Behutsam legte er ihr eine Hand auf die Schulter. „Das Leben hat dir wohl übel mitgespielt, Grace.“
Sie zuckte zusammen und versuchte, den
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