Gestohlene Wahrheit
war mein voller Ernst.« Der Junge sah Ali an und wackelte mit den blonden Augenbrauen.
»Ich werde darüber nachdenken«, erwiderte sie mit einem süßen Lächeln, und Frank bemerkte, dass Ghost die Faust ballte. »Aber wie ich bereits sagte, bevor die Unterhaltung diese seltsame Wendung genommen hat, ich bin direkt hierhergefahren. Ich habe nur zum Tanken und Kaffeetrinken angehalten. Aber ich … und jetzt wird es richtig verrückt … ich glaube, dass ich den Mann unterwegs an einer Tankstelle gesehen habe. Nicht den Straßenräuber. Den anderen. Den zwielichtigen.«
»Kommen wir zur wichtigsten Frage des Tages«, sagte Frank. »In was bist du da reingeraten?«
5
»Aber das ist doch das Problem!« Ali warf die Hände in die Luft, und man konnte ihrer Stimme ihre Erschöpfung und ihre Frustration deutlich anhören. »Ich habe überhaupt nichts gemacht. Ich bin Kindergärtnerin, um Himmels willen. Das Aufregendste, was mir in den letzten Monaten passiert ist, abgesehen von meinem Verfolger und dem Überfall natürlich, war der neue Fußboden, den mein Vermieter endlich verlegt hat. Meiner Ansicht nach ist die Frage wohl eher, in was
ihr
oder genauer gesagt
Grigg
verwickelt war, das jemand auf die Idee gebracht haben könnte, ich würde etwas besitzen, das er haben will.«
Auf einmal lag eine Anspannung in der Luft, und es kam ihr vor, als hätten alle Angst, sich zu bewegen. Als wären sie die Rehe, die auf einmal im Scheinwerferlicht standen.
Himmel, sie mussten glauben, dass sie völlig blind oder verblödet war.
Seit dem Augenblick, in dem das Wanzenaufspürgerät am Eingang bei ihrem Eintreten lautstark Alarm gegeben hatte, war ihr zweifelsfrei klar, dass diese Leute nicht einfach bloß Motorradschrauber waren.
Voller Zorn über all das und vor allem über Männer, die sich weigerten zu glauben, dass sie ein Geheimnis für sich behalten konnte, schlug sie mit den Fäusten auf den Konferenztisch und stand auf. Ihr Stuhl rutschte mit einem Kreischen nach hinten, was ihr sehr gut in den Kram passte.
»Jetzt habe ich aber langsam genug, verdammt noch mal!« Sechs Augenpaare wurden aufgerissen. Vermutlich glaubten sie, es gäbe ein Gesetz, das Kindergärtnerinnen das Fluchen verbietet. »Ich weiß, dass das hier nicht bloß eine Motorradwerkstatt ist. Für wie blöd haltet ihr mich eigentlich?« Sie deutete auf die Reihe hochmoderner Computer und warf ihnen allen einen wütenden Blick zu. »Denkt ihr wirklich, ich würde glauben, es sei an der Tagesordnung, dass Motorradmechaniker Wanzenaufspürgeräte in ihrer Werkstatt haben? Die Tatsache, dass ihr alle bewaffnet seid, will ich gar nicht erst erwähnen.«
Dan rutschte auf seinem Stuhl herum. »Ali …«
»Du hast ein Messer in deinem rechten Stiefel und eine Pistole im Bund deiner Jeans«, schnitt sie ihm das Wort ab. Als sie die erhobenen Augenbrauen aller am Tisch Sitzenden sah, wurde ihr klar, dass sie sie erneut überrascht hatte, dieses Mal mit ihrer guten Beobachtungsgabe. Sie fühlte sich bestätigt und fuhr fort: »Nate hat die gleichen Waffen bei sich, nur, dass er sein Messer unter dem Shirt an einem Clip neben der rechten Hosentasche befestigt hat.« Sie drehte sich zu Frank um. »
Du
trägst keine Schusswaffe, aber du hast mindestens zwei Messer bei dir, eines im Hosenbund und das andere am Unterschenkel. Ich würde vermuten, dass da noch mehr sind, da du dich immer sehr vorsichtig hinsetzt, aber ich bin mir nicht ganz sicher.«
»Mann, verleiht der Kleinen einen Orden.« Becky lachte und zwinkerte ihr amüsiert zu. »Dein großer Bruder hat dir offensichtlich so einiges beigebracht.«
»Du hast ja keine Ahnung«, meinte sie zu Becky und schenkte der jungen Frau ein kameradschaftliches Grinsen. Zumindest eine Person in diesem Raum schien sie ernst zu nehmen. »Wenigstens versucht Ethan, äh, Ozzie da drüben«, sie deutete bei ihren Worten mit dem Daumen über die Schulter auf den jungen Mann, »gar nicht erst, seine Waffen zu verstecken.«
»Nenn mich Ozzie, Süße«, rief er zurück. Er kauerte über der Tastatur wie ein verhungernder Mann über einem Teller voller Essen. »Außerdem wüsste ich nicht, warum ich meine Waffen verstecken sollte. Meiner Meinung nach kann ruhig jeder sehen, was ihn erwartet, wenn er es wagt, sich mit mir anzulegen.«
»Oh Mann.« Dan stöhnte auf und verdrehte die Augen. »Demnächst kommt er noch ohne Shirt, mit Patronengurten über der Brust und einem roten Bandana um den Kopf zur Arbeit.«
»Aha, du
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