Gestohlene Wahrheit
vielleicht doch ratsam, aber bei der Vorstellung, einem völlig Fremden zu erzählen, was er getan hatte, brach ihm der kalte Schweiß aus.
Er wischte sich mit einer schweißnassen Hand über die Stirn, stand von seinem Stuhl auf und ging barfuß durch das kleine Zimmer. Sobald er vor der Tür stand, wurde ihm klar, dass er gerade seinen schlimmsten Albtraum hinter sich gelassen hatte und jetzt direkt vor seiner heißesten Fantasie stand.
Na ja, zumindest fast.
Ohne den dünnen, cremefarbenen Morgenrock, der ihr bis zum Oberschenkel reichte, wäre es seine heißeste Fantasie gewesen. Denn er konnte den schwachen Schimmer von … War das Blau? … einem BH und dem Höschen ausmachen, und die Dessous sahen hinreißend aus und bedeckten all das, was er so gern mit den Lippen berühren würde. Ihr Disney-Prinzessinnengesicht wirkte ohne Make-up noch viel unschuldiger, und ihr Haar war vorn feucht, sodass ihr einige Strähnen an den Wangen und dem Kiefer klebten.
Himmel, warum konnte er nicht einfach auf der Stelle tot umfallen?
»Ali? Was ist los?«, konnte er gerade so herausbringen, war aber kurz davor, wie ein Hund zu sabbern. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund war es gerade zehn Grad wärmer geworden.
»Kann ich kurz mit dir sprechen?« Sie sah ihn mit einem unglaublich süßen Blick an.
»Klar.« Er wollte auf den Flur hinausgehen, aber sie legte ihm eine Hand auf den Unterarm und hielt ihn auf.
Er wollte jetzt nicht daran denken, wie sie an jenem Tag am Strand ihre Fingernägel in seinen Arm gebohrt hatte, als sie zum Höhepunkt gekommen war. Oh nein. Er würde jetzt
auf gar keinen
Fall daran denken.
Verdammt.
Jetzt dachte er an nichts anderes mehr.
»Unter vier Augen?« Sie sah verstohlen den Flur hinunter zu Beckys verschlossener Tür.
Nein, nein, nein,
nein
. Eine sehr schlechte Idee. »Natürlich.«
Er machte einen Schritt nach hinten und hielt ihr die Tür auf, während er sich unauffällig in seinem Schlafzimmer umsah, ob auch nichts herumlag, das sie nicht sehen durfte, wie beispielsweise das heiße Foto von ihr, das er normalerweise in seinem Nachttisch aufbewahrte. Grigg hatte es im Sommer vor seinem Tod geschossen. Darauf wurde Alis goldenes Haar von der sanften Meeresbrise herumgewirbelt und sie hatte den Kopf lachend in den Nacken gelegt. Nate sah es sich so oft an, dass es an den Rändern schon ganz ausgefranst war.
Zum Glück lag es noch immer in der obersten Schublade des Nachttischs, vergraben unter Hustenbonbons, Taschentüchern und einem uralten John-Grisham-Roman mit jeder Menge Eselsohren.
Nachdem er einen letzten Blick in den Flur geworfen hatte, schloss er leise die Tür.
Und hatte Ali in seinem Schlafzimmer für sich allein.
Schon bei dem Gedanken wurde es enger in seiner Hose. Das war nicht gut. Überhaupt nicht gut.
Er fand es ausgesprochen merkwürdig, dass sein Puls ruhig wie ein Metronom schlug, wenn er direkt neben einem Drogenbaron, einem Dschihadisten oder einem feindlichen Soldaten stand, aber förmlich durchdrehte, sobald er mit dieser zarten Frau allein war.
»Was ist los, Ali?« Hoffentlich bekam er dieses Mal eine Antwort. Er wünschte sich, dass sie dieses Problem schnell aus der Welt schaffen konnten, damit er sie rasch wieder loswurde, denn im Moment konnte er seinen Blick nicht von ihren ineinander verschlungenen Fingern losreißen.
Und aus irgendeinem Grund hätte er sie am liebsten geküsst, auch wenn er Finger zuvor noch nie ernsthaft als sexy eingestuft hatte. Aber sie waren einfach so verdammt niedlich. So klein und dünn, genau wie sie, und perfekt in einem hellen Pinkton lackiert. Sie strahlten förmlich Weiblichkeit aus! Und Gott allein wusste, dass er schon zu lange ohne eine Frau in seinem Leben auskommen musste. Viel zu lange!
»Was hat Delilah heute Abend zu dir gesagt?«, erkundigte sie sich und zog dabei auf entzückende Weise die Stirn kraus.
Tja, das war doch mal ein Tritt in die Eier, was? Außerdem war das eine Frage, mit der er definitiv nicht von ihr gerechnet hatte.
»Äh …«
»Wir kennen uns schon über zwölf Jahre, aber ich glaube, das war das erste Mal, dass ich dich so lachen gesehen habe.« Sie machte einen Schritt auf ihn zu.
Hey. Nicht gut. Und es wurde mit jeder Minute unguter.
Unguter? Sein Gehirn schien langsam die Arbeit einzustellen.
»Äh …«
Jetzt stand sie direkt vor ihm, so dicht, dass er die sanfte weibliche Hitze spüren konnte, die ihr Körper in weichen Wellen abgab, und den süßen Duft ihres
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