Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gestohlene Wahrheit

Gestohlene Wahrheit

Titel: Gestohlene Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Ann Walker
Vom Netzwerk:
aus.
    »Schlechte Reflexe? Was soll das heißen?«
    »Das heißt, dass ich nicht schnell genug gewesen bin.«
    Sie sah ihn dermaßen verwirrt und niedlich an, dass er grinsen musste.
    »Wir wurden in ein Feuergefecht zweier rivalisierender Drogenkartelle verwickelt, und ich habe mir einen Querschläger eingefangen.«
    Sie stützte sich auf die Ellenbogen und musterte seinen nackten Oberkörper. »Wie oft bist du angeschossen worden?«
    »Oft genug, um zu wissen, dass ein Mal schon zu oft ist.«
    »Bist du immer so ausweichend?«
    »Ja.«
    Sie runzelte die Stirn, und sein dummes großes Herz machte einen Sprung, weil sie schon wieder die Nase so süß kräuselte.
    »Wenn wir über all meine Narben reden wollen«, stellte er fest, »dann sind wir nächste Woche noch hier, Süße. Dummerweise war ein hübscher, narbenfreier Körper nicht Teil meiner Jobbeschreibung.«
    »Hmmm«, lenkte sie ein und lehnte ihren Kopf gegen seine unverletzte Schulter. »Ich finde, dass du einen schönen Körper hast, auch mit all den Narben.«
    Ja, die Frauen, man musste sie einfach lieben. Irgendwie konnten sie in allem etwas Schönes erkennen. In Narben, alten, baufälligen Gebäuden, Neugeborenen …
    Nate hatte auch schon einige neugeborene Kinder gesehen. Sie waren immer runzlig, hatten meist die falsche Farbe, und ihre kleinen Köpfe schienen immer eine seltsame Form zu haben. Während er darüber nachdachte, merkte er gar nicht, wie lange sie geschwiegen hatte, bis sie auf einmal sagte: »Nate?«
    »Ja?«
    »Wie machst du das?«
    »Was, Süße?«
    »Deinen Job. Gewöhnst du dich irgendwann daran?«
    Mann, diese Frau. Sie war entschlossen, ihm das Herz auf jede nur erdenkliche Weise herauszureißen.
    Er redete nie über so etwas … niemals. Das hatte er nicht einmal mit Grigg getan.
    Aber hier war diese Frau, die er liebte, und sie stellte ihm diese schwierigen Fragen, und zum ersten Mal begriff er, dass er darüber reden wollte. Mit ihr.
    »Nein.« Er schluckte schwer, als unzählige Erinnerungen auf ihn einprasselten. So viel Schrecken. So viel Tod. Er sah seine Hände an, was er häufig tat. Sie waren groß und stark, und er war immer wieder überrascht, dass sie trotz all des Blutes, das er vergossen hatte, unbefleckt waren. »Man gewöhnt sich nie daran.«
    Sie erschauderte, und er zog sie enger an sich heran und drückte ihren Kopf noch dichter unter sein Kinn. Er rieb mit seinen Bartstoppeln über ihren Scheitel und nahm den Geruch von Sex und getrocknetem Blut in sich auf, der von Alis süßem, sauberem Duft überlagert wurde.
    »Grigg wollte nie mit mir darüber reden«, sagte sie leise.
    »Das lag daran, dass du das eigentlich gar nicht hören willst, Süße. Grigg hat dich nur beschützt.«
    »Aber ich
will
mehr darüber wissen. Grigg war der einzige Mensch, den ich hatte, Nate. Der Mensch, der mich am meisten geliebt hat, mehr als jeder andere auf der Welt. Und ich
kannte
ihn nicht einmal richtig.« Bei den letzten Worten brach ihre Stimme.
    Auch sein Herz schien in diesem Moment zu zerbrechen. Wieder einmal.
    Er schob ihr das seidige Haar hinter das Ohr und streichelte ihre Ohrmuschel. Alles an ihr war klein und weich, und er liebte jeden femininen Zentimeter an ihr. »Du hast den besten Teil von ihm gekannt. Den hat er für dich aufgehoben.«
    »Aber das war eine Lüge, erkennst du das denn nicht?«, protestierte sie. »Einen Menschen zu kennen, bedeutet nicht, nur die guten Seiten zu sehen, man muss auch die dunklen, erschreckenden Dinge wissen.«
    Das mochte sein, aber manchmal waren die dunklen, erschreckenden Dinge
zu
dunkel und
zu
erschreckend.
    »Was soll ich dir jetzt sagen, Ali?«
    »Ich weiß es nicht.« Sie stieß frustriert die Luft aus. »Ich möchte, dass du mir erzählst, wie mein süßer, fröhlicher Bruder zu seinem Job gekommen ist. Ich möchte, dass du mir sagst, dass er es getan hat, weil es irgendjemand tun musste und er es dann lieber selbst tun wollte. Ich möchte, dass du mir sagst, dass er es nicht getan hat, weil er ein Adrenalinjunkie oder ein Sadist gewesen ist. Ich möchte … Ich weiß es doch auch nicht. Erzähl mir irgendetwas.
Irgendwas

    Genau das musste er auch tun, denn Grigg hatte immer eisern geschwiegen, anstatt sich jemandem anzuvertrauen, und Nate hatte es genauso gehandhabt.
    Er holte tief Luft. »Grigg war kein Adrenalinjunkie, und er war definitiv kein Sadist«, sagte er. »Er war ein Soldat und ein Patriot. Ein Mann mit Ehre und Integrität. Du hast es genau richtig

Weitere Kostenlose Bücher