Gestorben um zu leben (SPUKVERWALTUNG OHG) (German Edition)
Hölle? Ja, ich weiß, wo mein Chef seine Finger dazwischen hat, kann nichts gedeihen, was dem oberen Stockwerk gefällt. Aber bleiben wir mal bei der Wahrheit.
Laut Paragraph 427, Absatz 12, Abteilung 6 r müssen sogar wir hier unten gelegentlich der Wahrheit die Ehre geben. Wenn uns jemand fragt, ob es einen Weg zur Abkehr, zum Aufstieg in den Himmel gibt, müssen wir wahrheitsgemäß antworten. Wer bereit ist, sich erneut dem Fegefeuer zu unterziehen, dem Bösen abzuschwören und den Allmächtigen um Verzeihung und Gnade anzuflehen, der hat eine Chance, die Hölle zu verlassen. Das ist im Prinzip genau das, was mein Erzfeind Michael, ständig bei mir versucht. Aber finden Sie nicht auch, dass es sich dabei um eine Art Gehirnwäsche handelt? Was wäre ich, wenn ich darauf einginge? Nicht mehr ich selbst! Stattdessen würde ich ein zahmes, harmloses Leben haben, voll von edlen Gesängen und sanftmütigen Gedanken – Satan hilf, soviel Langeweile ist tödlich.
Aber es gibt tatsächlich eine verdammte Seele, die diesen Weg gehen will, wie kann man nur so dämlich sein? Der Vorgang ist genau geregelt, allein knapp zweitausendfünfhundert Artikel beschäftigen sich damit. Das war natürlich eine Schikane meines Chefs, der den Vorgang so schwierig wie nur möglich machen wollte, damit jeder Versuch schon in den Anfängen scheiterte. Unzählige Anträge müssten dafür ausgefüllt und bearbeitet werden, damit sich Satan überhaupt der Sache annähme. Im oberen Stockwerk ist nur ein Gedanke dafür nötig, erhört zu werden, da können Sie mal sehen, wie lächerlich einfach das Gut sein ist. Böse zu sein erfordert eine Menge Intelligenz, Tatkraft und Energie, das kommt dem Menschsein doch erheblich näher, meinen Sie nicht auch?
Wie dem auch sei, Ethel wollte die Hölle verlassen, um auf ewig den himmlischen Heerscharen zu lauschen – oder was auch immer man da oben die ganze Zeit über tut. Ich habe mich nie soweit gedemütigt Michael danach zu fragen, er würde es als Interesse missverstehen und mich wieder mal damit nerven, dass ich meinen Weg noch immer ändern könne. Also, Ethel, die im Mittelalter der Menschheit zu denen gehörte, die zu Recht als Hexen verbrannt wurde, hat offenbar genug davon, den ganzen Tag Gemüse zu putzen, das unter ihren Händen bereits vergammelt und dabei bis zu den Knien in Blutegeln zu stehen. Sie stellte jedenfalls einen Antrag auf Anhörung beim satanischen Tribunal – das eigentlich nur aus zwei Personen besteht, nämlich Satan und mir –, um eine Voranfrage an den Appellationshof richten zu dürfen, das die Gewissensbisse der Probandin daraufhin untersucht, ob der Leidensdruck schon groß genug ist, überhaupt solche Gedanken entwickeln zu dürfen. Nun ja, die Hexe überstand die ersten Untersuchungen, ihr Jammern hat mich nicht mehr zur Ruhe kommen lassen, sodass ich die Sache etwas beschleunigen musste. Hier unten herrscht ja ständig eine ungeheure Lautstärke, aber jeder heult für sich allein, eine Art Schutzschirm verhindert, dass jemand wie ich davon belästigt wird. In laufenden Verfahren wird dieser Schutz jedoch abgeschaltet, und Ethel kriegte sich gar nicht wieder ein. Sehr lästig, sowas, wie soll ich denn da arbeiten?
Irgendwann hatte sie dann den Punkt erreicht, an dem ich ins Spiel kam, als so eine Art Inquisitor, verstehen Sie? Ich hatte mir tatsächlich bei Torquemada ein paar Tipps geholt, denn ein solcher Fall kommt hier nicht häufig vor. Ethel betrat mein Büro, sie wirkte noch immer selbstbewusst und hatte doch panische Angst vor mir. Na, das sollte ich doch mühelos verstärken können.
„Du willst uns verlassen, Ethel?“, fragte ich.
Sie schaute mich mit einem unendlich sanften Blick an. „Ich bitte darum, meine Schuld sühnen zu dürfen, um anschließend endgültige Vergebung zu erflehen“, erwiderte sie vorsichtig.
„Also gefällt es dir hier nicht? Nun ja, das kann ich verstehen, die Hölle ist schließlich kein Wunschkonzert. Dabei haben wir uns trotzdem große Mühe gegeben, dich deinen Taten entsprechend zu bestrafen. Was ist es, was dich bewogen hat, den anderen Weg zu suchen? Dein Lebensweg gibt bisher nicht zur Hoffnung Anlass, dass du dich dem Guten zuwenden könntest.“
„Was weißt du denn schon über mein Leben?“, fragte sie herausfordernd.
Gelangweilt nahm ich erst die Kartei zur Hand, dann rief ich ihre Datei im Computer auf. „Du hast bereits als Kind giftige Kräuter und Pilze zubereitet und dich über die Krankheiten der
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