Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Verein war bis jetzt das einzig Verbindende zwischen den zwei ermordeten Frauen.
Auch das Telefongespräch mit Donatas Mann hatte nichts zutage gebracht, was die Ermittlungen vorantreiben konnte. Er schien nicht mehr zu wissen als alle anderen: Seine Frau war auf die Idee gekommen, eine alte Freundin auf Sylt zu besuchen, die sie jahrzehntelang nicht gesehen hatte. Warum, wusste er nicht. Wahrscheinlich hing es damit zusammen, dass er seine Frau zurzeit häufig allein lassen musste, weil er beruflich viel unterwegs war.
Als Erik das Gespräch beendet hatte, war ihm klar, dass seine Arbeit nun noch schwerer geworden war. Er konnte sich vorstellen, wie seine Schwiegermutter auf die Neuigkeit, die er ihr in wenigen Minuten überbringen musste, reagieren würde. Was die neuen Tatsachen für die Staatsanwältin bedeuteten, wagte er sich gar nicht auszumalen …
Erik kam noch vor Sören im Süder Wung an. Die Kinder waren nicht zu Hause. Felix war zum Fußballplatz aufgebrochen, und Carolin hatte ihn nach Westerland begleitet, weil sie sich bei Jensen ein grasgrünes T-Shirt kaufen wollte.
»Gero Fürst hat angerufen und sie für heute Nachmittag bestellt«, berichtete Mamma Carlotta.
Erik verstand zwar nicht, was diese Tatsache mit dem Erwerb eines grasgrünen T-Shirts zu tun hatte, aber da Carolin sich bisher vornehmlich in Grau oder Beige gekleidet hatte, nahm er an, dass die Entscheidung für ein grasgrünes T-Shirt doch irgendwie mit dem Besuch bei Gero Fürst zusammenhing.
»Und du?«, fragte er vorsichtig und sah seiner Schwiegermutter zu, wie sie lieblos ein paar Tomaten zerschnitt, geradezu verächtlich die Salatblätter zerrupfte und Öl und Essig zusammenrührte, als ginge es nicht um ein Dressing, sondern um Tapetenkleister. Dass sich ihre tiefe Betroffenheit so unmittelbar und derart nachteilig auf ihre Kochkunst auswirken könnte, hatte Erik nicht erwartet. Bisher hatte er geglaubt, dass seine Schwiegermutter jedes tiefe Gefühl in der Küche verarbeitete, und zwar immer zum Wohl der Familie. Aber anscheinend hatte er sich geirrt.
»Es ist entsetzlich«, flüsterte Mamma Carlotta.
Sie flüsterte tatsächlich! Erik fing an, sich Sorgen zu machen.
»Wer kann das getan haben? Und warum?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Erik wahrheitsgemäß, »was sie in Magdalena Feddersens Haus zu suchen hatte.«
Mamma Carlotta hackte auf einer wehrlosen Zwiebel herum und antwortete nicht.
»Ein versiegelter Tatort! Und zwei Leute brechen dort ein!« Ratlos schüttelte Erik den Kopf. »Vielleicht suchten sie beide dasselbe und sind sich in die Quere gekommen.« Nun blickte er seine Schwiegermutter fragend an. »Was weißt du von Donata Zöllner? Hat sie dir irgendwas erzählt, was für uns wichtig sein könnte?«
Mamma Carlotta schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen. Und ihre Antwort hatte nichts mit seiner Frage zu tun: »Ich habe mich einfach zu schwach gefühlt, um einzukaufen.«
Erik erinnerte sich an das, was Sören über die Kraft seiner Schwiegermutter gesagt hatte, und beeilte sich zu versichern, dass die Reste, die noch im Hause seien, völlig ausreichen würden. »Wir sind bescheiden, das weißt du doch.«
Ob Mamma Carlotta das wirklich wusste, war nicht ersichtlich, jedenfalls schien ihr sonst so wacher Ehrgeiz mit Donata Zöllner gestorben zu sein. Erik hoffte inständig auf eine Wiedergeburt noch vor ihrer Rückkehr nach Umbrien.
»Insalata mista als Vorspeise?«, fragte er freundlich.
Mamma Carlotta nickte. »Danach Spaghetti carbonara, denn zum Glück habe ich im Kühlschrank Schinken gefunden. Aber als secondo piatto? Ich weiß nicht, was ich da servieren soll.«
»Wir überschlagen den Hauptgang. Wenn du vielleicht noch eine Kleinigkeit zum Nachtisch machen könntest?«
Mamma Carlotta seufzte. »Ich habe Gelato in der Tiefkühltruhe gesehen. Und Kiwis sind auch noch da.«
»Das reicht«, frohlockte Erik und hoffte, dass er damit alles getan hatte, um einem weiteren Schwächeanfall seiner Schwiegermutter zuvorzukommen. Und vor allem hoffte er, dass er ihr genügend Kraft gegeben hatte, um die Neuigkeit zu bewältigen, die auf den Tisch kommen würde, sobald Sören erschien. Der hatte sicher schon herausbekommen, was es mit Donata Zöllner auf sich hatte.
Er beobachtete, wie Mamma Carlotta den Schinken würfelte, ohne auf die akkuraten kleinen Quadrate zu achten, auf die sie sonst Wert legte, und die Knoblauchzehen in Stücke hackte, die sie bisher stets zu hauchzarten Blättern
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