Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
würdigen, auf die Haustür zu. Sie wurde, noch ehe er sie erreichte, von innen geöffnet.
»Gut, dass Sie da sind«, hörte Carlotta eine Stimme sagen.
Sie starrte Erik hinterher und überlegte fieberhaft, wie er reagieren würde, wenn sie ihm einfach folgte. Aber lange brauchte sie nicht nachzudenken, um einzusehen, dass sie sich damit seine Sympathie gründlich verscherzen würde.
Wie gut, dass es jemanden gab, der großzügig mit seiner Sympathie umging, und das, obwohl auch er ein kühler Friese war. »Könnte sein«, raunte Sören ihr zu, »dass heute Mittag auch Dr. Hillmot zum Essen zu Ihnen kommt. Der hat nach einer Leichenschau am Tatort immer besonders großen Appetit.«
Er lächelte Mamma Carlotta an, wartete anscheinend darauf, dass sie sich augenblicklich Gedanken über die Speisenfolge machen und darüber lamentieren würde, dass noch so viel einzukaufen sei. Aber er wurde schlagartig wieder ernst, als Mamma Carlotta langsam, ganz langsam vornüberkippte und in seine Arme fiel.
Dr. Hillmot sah Erik verblüfft an. »Sie kennen die Frau?«
Erik schluckte schwer. »Ganz sicher bin ich nicht.«
Das war nicht die Wahrheit. Er hatte sofort gewusst, wer da vor ihm lag. Die gepflegten Hände, die Frisur, die feine Goldkette an ihrem Hals. Trotzdem wartete er ab, bis der Fotograf die Lage der Toten festgehalten und Dr. Hillmot die Untersuchung der tödlichen Wunde am Hinterkopf beendet hatte. Dann wurde die Leiche umgedreht – und er sah tatsächlich in Donata Zöllners Gesicht.
»Wie soll ich das meiner Schwiegermutter beibringen?«
Dr. Hillmot wurde unruhig. »Die Signora kannte die Tote auch?«
Erik erklärte, wie die Bekanntschaft seiner Schwiegermutter zu Donata Zöllner zustande gekommen war. »Sie war nach Sylt gekommen, um Magdalena Feddersen zu besuchen. Aber … sie kam zu spät.«
»Und nun ist sie selbst umgebracht worden«, ergänzte der Gerichtsmediziner und sah sich um. »Was wollte sie hier?«
Erik hob ratlos die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Sieht so aus, als hätte sie etwas gesucht.« Er zeigte auf die geöffneten Schubladen des Schreibtisches.
»Wenn Sie die Spurensicherung heute nicht noch mal zum Tatort geschickt hätten, dann …«
»… dann hätten wir Donata Zöllner noch eine ganze Weile gesucht«, ergänzte Erik.
Sören war zu den beiden getreten. »Das Haus war versiegelt. Und trotzdem waren mindestens zwei Menschen in der vergangenen Nacht hier. Das Opfer und sein Mörder. Warum?«
Erik antwortete mit einer Gegenfrage: »Wissen Sie, wie die beiden ins Haus gekommen sind?«
Sören nickte. »Das Wohnzimmerfenster wurde eingeschlagen. Ob vom Opfer oder vom Mörder – das lässt sich nicht sagen.«
Erik betrachtete nachdenklich die Tote, ihr wächsernes Gesicht, die blutverkrusteten Haare, den geöffneten Mund, in dem noch ein Schrei zu stecken schien …
»In diesem Haus muss es etwas Brisantes geben. Etwas sehr Wichtiges. So wichtig, dass Donata Zöllner hier eingestiegen ist.« Er blickte auf. »Ich bin sicher, dass das Einbrechen in fremde Häuser nicht zu ihren Gewohnheiten gehörte.«
Sören setzte den Gedankengang fort. »Wenn sie etwas haben wollte, was hier aufbewahrt wurde, dann liegt darin das Motiv für die Taten. Für beide!«
»Sie meinen, es war derselbe Täter am Werk?«
»Natürlich! Oder glauben Sie das nicht?«
Erik wandte sich an Dr. Hillmot. »Wie unterscheiden sich die beiden Morde voneinander?«
Dr. Hillmot zuckte die Achseln. Ehe er zu reden begann, wischte er sich den Schweiß von der Stirn und setzte sich schnaufend. »Der erste war kaltblütig geplant, doch hier könnte die Tat im Affekt geschehen sein.« Er wies zu einem umgestürzten Papierkorb und dem verrutschten Teppich. »Könnte sein, dass es eine Auseinandersetzung gegeben hat, in deren Verlauf dann das Opfer zu Tode kam.«
Erik sah sich um. »Was ist mit der Tatwaffe?«
Der Gerichtsmediziner schüttelte den Kopf. »Es gibt keine. Diesmal hat der Täter die Waffe mitgenommen.«
»Dann ist er offenbar bewaffnet hier eingedrungen, mit dem Vorsatz, Donata Zöllner umzubringen. Anschließend ist er mitsamt der Tatwaffe geflüchtet.«
»Das muss nicht sein«, meinte Sören. »Vielleicht hat er auch etwas gefunden, was als Tatwaffe dienen konnte, und es mitgenommen, weil er Fingerabdrücke darauf hinterlassen hatte.«
»Im ersten Fall hat er Handschuhe getragen. Das war ein eiskalt geplanter Mord«, meinte Erik. »Sollten wir in diesem Fall also von
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