Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
nicht vor dem Eingang auf ihn lauerten, wenn er seine Frau besuchen wollte. »Am nächsten drehfreien Tag besorge ich mir ein Privatflugzeug und komme nach Sylt.« Erst danach fragte er nach Donatas Gesundheitszustand, erkundigte sich, ob sie einen Herzinfarkt oder einen Verkehrsunfall erlitten habe und ob der Chefarzt persönlich sich um sie kümmere.
Das war der Augenblick, in dem die Abneigung in Erik hochschoss wie eine Flamme, in die Öl gegossen worden war. Sie loderte hell, als er antwortete: »Weder noch. Ihre Frau ist ermordet worden.« Die Paparazzi würden, wenn überhaupt, vor der Pathologie auf den Star lauern.
Als sein Assistent eintrat, bedauerte Erik, dass er die Sensation vorweggenommen hatte. »Wissen Sie, mit wem Donata Zöllner verheiratet war?«, begann Sören, sah mit lachenden Augen erst in Eriks, dann in Mamma Carlottas Gesicht – und begriff, dass sie es bereits wussten.
Enttäuscht setzte er sich an den Tisch. »Dass Sie nach diesem Schock überhaupt kochen können, Signora!«
»Ich koche nicht«, entgegnete Mamma Carlotta und warf die Spaghetti ins kochende Wasser. »Das ist Resteverwertung. Mit la cucina italiana hat das nicht viel zu tun.«
»Macht ja nichts«, gab Sören zurück und lächelte Mamma Carlotta so lange an, bis sie endlich sein Lächeln erwiderte. »Sie haben eine Menge durchgemacht. Ich finde es großartig, dass Sie sich trotzdem an den Herd stellen. Und Resteverwertung kann sehr lecker sein. Wenn ich an das Labskaus meiner Oma denke …«
»Ganz so schlimm wird’s hoffentlich nicht werden«, unterbrach ihn Mamma Carlotta, die während ihres ersten Aufenthaltes auf Sylt einmal in Käptens Kajüte Labskaus probiert hatte. Niemals hätte sie Lucia ihren Segen für die Ehe mit einem Norddeutschen gegeben, wenn ihr damals schon dieser grüne Brei vorgesetzt worden wäre.
Erik wandte sich an Sören. »Was haben Sie über Donata Zöllner herausgefunden?«
Sören griff in die Tasche seines Hemdes und holte ein Blatt heraus, das dicht beschrieben war. »Sie wurde als Donata Obermann in Karlsruhe geboren. Ihr Vater war Arzt, sie begann nach dem Abitur ein Medizinstudium, um später die Praxis ihres Vaters zu übernehmen. Daraus wurde aber nichts, weil ein junger Schauspieler, der damals am Karlsruher Stadttheater den Hamlet spielte, mit einer schweren Erkältung in die Praxis ihres Vaters kam.«
»Severin Dogas?«
»Damals hieß er noch Andreas Zöllner. Sie heiratete ihn und gab das Medizinstudium auf, als es mit seiner Karriere steil bergauf ging. Die beiden bekamen einen Sohn, und Donata war von da an nur noch für die Familie da.«
»War die Ehe glücklich?«, fragte Erik, der sich nicht vorstellen konnte, dass eine Frau wie Donata mit einem Star, wie er ihn am Telefon kennengelernt hatte, glücklich gewesen sein sollte.
»Immerhin haben die beiden schon ihre Silberhochzeit gefeiert«, meinte Sören. »Das kommt in Künstlerehen eher selten vor. Dogas’ Manager, mit dem ich telefoniert habe, hat behauptet, sie seien durch eine lange Zeit des Glücks und die schwere Zeit des Unglücks unzertrennlich geworden.«
»Der Tod des Sohnes«, warf Mamma Carlotta ein und goss Öl in die Pfanne, um den Schinken zu rösten.
Erik stellte erleichtert fest, dass sich ihre Körperhaltung entscheidend verändert hatte. Ihr Rücken war nicht mehr gebeugt, sie stand wieder aufrecht da. Die Trauer war anscheinend von der bitteren Erkenntnis abgelöst worden, dass Donata nicht die Freundin gewesen war, die sie zu werden versprochen hatte. Sie war keine Freundin gewesen, sondern eine Frau, die Carlotta kein Vertrauen entgegengebracht hatte! Diese schwere Kränkung musste erst mal verkraftet werden. Dennoch war Erik froh, dass der Kummer über Donatas schreckliches Ende dadurch für Mamma Carlotta erträglicher geworden war.
Sören kramte einen zweiten Zettel aus seiner Tasche. »Das muss ein Riesenskandal gewesen sein.« Er sah Erik fragend an. »Können Sie sich erinnern? Ich war damals noch zu jung.«
Carlotta ließ die Pfanne im Stich. »Was für ein Skandal?«
»Der Tod von Manuel Zöllner.«
»Das war kein Skandal, sondern eine Tragödie.«
»Beides«, erklärte Erik diplomatisch. »Dogas’ Sohn war in die Schlagzeilen geraten. Wegen Immobilienbetrugs, wenn ich mich recht erinnere. Die Sache flog auf, kurz bevor dieser schreckliche Unfall im Montblanc-Tunnel geschah.«
»Ganz richtig!«, rief Sören. »Er sollte verhaftet werden und entzog sich durch Flucht. Besser wäre
Weitere Kostenlose Bücher