Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
verarbeitet hatte. Und dann konnte er es nicht mehr mit ansehen. Spontan entschloss er sich, Mamma Carlotta von ihrer Trauer abzulenken, ehe die Sahne, die sie aus dem Kühlschrank holte, mit dem geraffelten Käse zu einer lieblosen Pampe verrührt wurde. Sören würde Verständnis dafür haben, dass er ihm bei der Verbreitung der Neuigkeit zuvorkam. Schließlich ging es ja darum, Mamma Carlotta wieder den Spaß am Kochen zu geben!
Er fragte noch einmal: »Was weißt du von Donata Zöllner? Hat sie dir zum Beispiel … etwas von ihrem Mann erzählt?«
»Nur, dass er wenig Zeit hat.«
»Sagt dir der Name Severin Dogas etwas?«
Mamma Carlotta dachte nach. Der Name kam ihr bekannt vor, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, woher. »Keine Ahnung«, meinte sie schließlich. »Wer soll das sein?«
»Ein Schauspieler. In Deutschland kennt ihn jeder. Er hat viele Filme gedreht, Fernseh- und auch Kinofilme.«
»Jetzt fällt’s mir ein. Ich habe in der Zeitung von ihm gelesen. Er muss sehr berühmt sein.«
»Das stimmt. Im bürgerlichen Leben heißt er Andreas Zöllner. Und er ist Donata Zöllners Mann. Oder vielmehr … ihr Witwer.«
Mamma Carlotta warf das Messer in die Spüle, fuhr herum und blitzte ihn an. Leben versprühten ihre Augen, Fragen, Gefühle! Genau wie Lucias Augen. »Willst du damit sagen … Sie war mit einem Prominenten verheiratet? Mit einem Star?«
Erik nickte. »Das hat sie dir wohl nicht verraten?«
»No!« Vorbei die Trauer! Mamma Carlotta war von einem Augenblick zum anderen die personifizierte Entrüstung. »Nichts hat sie mir davon gesagt. Niente!«
Erik hätte gern gesehen, wenn sie trotz ihrer Erbitterung die Vorbereitung der Mahlzeit fortgesetzt hätte, aber sie reagierte nicht auf seine diesbezüglichen Hinweise, sondern ließ die Arbeit im Stich und sich selbst auf einen Stuhl fallen. Derart erschüttert sah sie aus, dass Erik schon hoffte, sie sei vor lauter Bestürzung verstummt. Einem normal veranlagten Friesen verschlug es eben die Sprache, wenn er bewegt war, aber er hätte es sich denken können: Bei einer Italienerin war das anders …
Die Enttäuschung fiel mit einem Schlag in Form vieler Wörter von ihr ab, ihre Gesten wurden immer theatralischer, während sie sich empörte, ihre Stimme wurde lauter, ihre Sprache von Wort zu Wort italienischer. Erik betrachtete mit einer Mischung aus Abwehr, Staunen und Faszination ihr gerötetes Gesicht, ihre vibrierenden Locken, ihre funkelnden Augen, die tanzenden Grübchen – und hörte sich geduldig an, was sie von einer Frau hielt, die ihre Freundschaft angenommen, ihr aber einen so wichtigen Teil ihres Lebens vorenthalten hatte. Dabei fiel ihm auf, dass sie sich die Wimpern getuscht hatte.
»Ich habe sie oft nach ihrem Mann gefragt«, schloss sie, »und immer hat sie mir ausweichend geantwortet. Nur von ihrem Sohn hat sie mir erzählt, von dem schrecklichen Unglück im Montblanc-Tunnel und von seiner unglücklichen Ehe.«
Erik atmete erleichtert auf, als sie sich erhob, um sich wieder der Zwiebel und dem Schinken zu widmen.
»Also war sie doch keine Freundin. Und ich hatte gedacht …« Sie brach ab, als versagte ihr die Stimme.
Erik wurde unruhig. Sie würde doch keinen weiteren Schwächeanfall erleiden? Eigentlich hatte er die Nachricht, dass Donata Zöllner die Frau eines populären Schauspielers gewesen war, für eine Sensation gehalten, die Verblüffung und Bewunderung hervorrufen würde. Mit dieser pompösen Betroffenheit hatte er nicht gerechnet.
Mathis Feddersen hatte ihm die Handy-Nummer gegeben, die der Ehemann Donata Zöllners am Morgen im Hotel hinterlassen hatte. Er wollte umgehend verständigt werden, sobald seine Frau aufgetaucht war.
Ahnungslos hatte Erik die Nummer gewählt und den Ehemann vorsichtig gefragt, ob er sofort nach Sylt kommen könne. »Ihrer Frau ist etwas zugestoßen. Wo sind Sie zurzeit?«
Andreas Zöllner befand sich in Köln und war eigentlich unabkömmlich. Erst auf Eriks befremdetes Schweigen antwortete er: »Ich sollte Ihnen wohl sagen, dass mein Künstlername Severin Dogas ist. Ich stecke mitten in Dreharbeiten.«
Erik brauchte eine Weile, um diese Neuigkeit zu verdauen. Genau genommen sogar ziemlich lange, sodass Severin Dogas ungeduldig fragte: »Sind Sie noch dran?«
Auf eine Bestätigung wartete er nicht, sondern verlangte im nächsten Atemzug, dass der Name des Krankenhauses geheim gehalten wurde, in das seine Frau gebracht worden war, damit die Paparazzi
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