Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
nicht, aber sie würde bei Gelegenheit in Lucias Fotoalben nachsehen. Bis dahin ging sie einfach davon aus, dass ihre Vermutung richtig war. Es musste sich um Angela Reitz handeln. Valerie redete mit der Freundin, die in Niebüll wohnte. Warum drängten sich die beiden in den hintersten Winkel des Gartens? Warum saßen sie nicht an der Hotelbar oder in Valeries Küche und tranken gemütlich Kaffee? Es sah wirklich ganz so aus, als wäre dies ein konspiratives Treffen, von dem niemand etwas wissen sollte.
Sie überlegte gerade, mit welcher Begründung sie sich zu den beiden gesellen könnte, als sie eine vertraute Stimme hörte: »Mamma Carlotta!«
Erschrocken fuhr sie herum. Erik! Er stand in der Eingangstür des Hotels und sah sie kopfschüttelnd an. »Was machst du denn hier?«
Eilig lief sie zu ihm, aber langsam genug, um sich eine Ausrede einfallen zu lassen, die Erik überzeugen würde. »Und was machst du hier?«, fragte sie mit einem Lächeln, das Erik zeigen sollte, wie rein ihr Gewissen war.
»Ich wollte Mathis Feddersen sprechen, aber er ist leider nicht zu Hause.«
»Und ich wollte ein wenig mit Valerie plaudern«, gab Mamma Carlotta zurück. »Sie hat Lucia doch so gut gekannt. Es wäre schön gewesen, mal mit jemandem über sie zu reden. Aber Valerie hat Besuch bekommen, ich will lieber nicht stören.«
Erik drehte sich um und ging mit gesenktem Kopf zu seinem Wagen. Sie sah ihm schuldbewusst nach. Anscheinend glaubte er nun, dass sie ihm Vorwürfe machen wollte. Er wusste ja, wie gerne sie mit ihm über Lucia sprechen würde. Gerade mit ihm! Viel lieber mit ihm als mit einer ihrer Freundinnen. Aber er schloss die Erinnerung an seine Frau in sich ein, als ginge sie nur ihn etwas an.
Sie hatte es ihm nicht vorwerfen wollen, nein. Aber wenn er von nun an gelegentlich bereit sein würde, alte Fotos mit ihr anzusehen, war das ein erfreulicher Nebeneffekt. Doch viel wichtiger war etwas anderes: Erik hatte nicht bemerkt, dass sie Valerie belauscht hatte.
»Grazie a dio!«
Carolin strich ihr graues T-Shirt glatt, das sie unmittelbar nach ihrer Rückkehr von Gero Fürst gegen das grasgrüne ausgetauscht hatte. Sie öffnete die Spülmaschine und stellte das Geschirr hinein, das Mamma Carlotta in ihrer emotionalen Aufwallung nur mit viel Geklapper hin und her geschoben hatte.
»Dass dieser Star, den alle kennen, in wenigen Augenblicken Erik die Hand geben wird!« Mamma Carlotta stellte den Teller mit den Oliven in die Brotdose und die übrig gebliebenen Panini in den Kühlschrank. »Und ich habe seine Frau gekannt. Sehr gut sogar!«
Sie bemerkte nicht, dass Carolin die Panini aus dem Kühlschrank holte und gegen die Oliven austauschte.
»Dass wir mittlerweile gut bekannt sind mit Leuten, die in allen Zeitungen stehen, das ist …« Wieder einmal fehlten ihr die deutschen Worte.
»Turbogeil!«, schrie Felix.
»Wir sind doch gar nicht mit Severin Dogas bekannt«, konstatierte Carolin, nahm die Tischdecke vom Tisch und faltete sie sorgfältig zusammen.
»Aber gewissermaßen!«, behauptete Mamma Carlotta. »Wir sollten uns unbedingt ein Video mit einem Film besorgen, in dem er die Hauptrolle spielt.«
»Wir haben eins!«, rief Felix und rannte ins Wohnzimmer, um danach zu suchen.
Mamma Carlotta ließ sich am Tisch nieder, stützte die Ellbogen auf, legte das Kinn in ihre Handflächen und seufzte auf. »Dass der Star im Hotel Feddersen wohnen will! Sicherlich möchte er dort seiner verstorbenen Frau noch einmal ganz nahe sein!« Sie seufzte so tief auf, als wäre das Leben ein einziger Groschenroman.
Carolin setzte sich zu ihr. »Du hast doch gehört, was Papa gesagt hat. Dogas will vor allem bei den Feddersens wohnen, weil niemand ihn dort vermutet. Die Reporter werden vor den großen Hotels auf ihn lauern. Im Hotel Feddersen hat er seine Ruhe.«
Mamma Carlotta machte eine wegwerfende Handbewegung. »Männer sind immer so … so …«
»Pragmatisch?«
»Wenn das bedeutet, dass sie sich nicht von Gefühlen, sondern von ihrem Kopf leiten lassen, dann hast du recht.« Sie griff nach Carolins Hand und wechselte das Thema. »Soll dein Vater dir ein Autogramm von Severin Dogas mitbringen?« Da Carolin nicht antwortete, hüpfte sie gleich zur nächsten Frage weiter. »Was machen wir, wenn die Presse hier auftaucht und von uns wissen will, wo der Star abgestiegen ist?« Immer noch schwieg Carolin, also wechselte Mamma Carlotta ein weiteres Mal das Thema. »Ob ich ihm das Buch, das Donata mir geliehen
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