Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Flughafengelände in Westerland verließen und Richtung Wenningstedt fuhren. Das Handy klingelte, Sören nahm das Gespräch an.
»Es ist Frau Feddersen, Chef. Sie sagt, ein Reporterteam ist im Hotel eingetroffen. Sie haben Mathis Feddersen in der Mangel und wollen von ihm etwas über Donata Zöllner erfahren.«
»Pack!«, kam es vom Rücksitz. »Widerliches Pack!«
»Wie ist das so schnell durchgesickert?«, fragte Erik erschrocken. »Woher können die von dem Mord wissen?«
Sören zuckte nur die Achseln. Sie wussten beide, dass die Wege, über die sich solche Neuigkeiten verbreiteten, kaum nachvollziehbar waren.
»Warten die Reporter auf Herrn Dogas?«, fragte Erik.
Sören vergewisserte sich bei Valerie, dann schüttelte er den Kopf. »Davon ist nicht die Rede. Aber trotzdem können wir zurzeit nicht dort aufkreuzen.«
»Was für ein widerliches Pack!«
Erik blickte in den Rückspiegel. Severin Dogas saß aufrecht da, kontrollierte immer wieder, ob die riesige Sonnenbrille fest auf seiner Nase saß und die Kappe mit dem großen Schirm sein Gesicht beschattete. »Wenn Sie im Hotel Feddersen erkannt werden, Herr Dogas, haben Sie dort in den nächsten Tagen keine Ruhe. Was schlagen Sie vor?«
»Ich habe seit heute früh nichts gegessen«, knurrte Dogas.
»Wir könnten zu Gosch fahren«, schlug Sören vor und zuckte zusammen, ehe ein vorwurfsvoller Blick ihn treffen konnte. »Nee, das geht wohl nicht.«
»Es sei denn, Sie wollen eine Befragung in Jahrmarktsatmosphäre«, antwortete Erik leise und bog in die Hauptstraße ein. »Am Ende würden auch wir beide Autogramme geben müssen.«
»Das Hotel soll dafür sorgen, dass ich ungesehen in mein Zimmer komme«, sagte Dogas. »Das kann doch wohl nicht so schwer sein. Dann soll man mir aus dem Restaurant was aufs Zimmer bringen.«
»Das Hotel Feddersen hat kein Restaurant«, entgegnete Erik und strich sich seinen Schnauzer glatt.
»Und Ihr Auto hat keine Klimaanlage«, gab Dogas ärgerlich zurück und wedelte sich Luft zu. »Es ist immer noch schrecklich warm.«
Über Sörens Gesicht ging plötzlich ein Lächeln. »Wir hatten ja kaum Zeit zum Essen«, rief er. »Es war noch jede Menge Pasta im Topf. Ihre Schwiegermutter wird sich sicherlich freuen, wenn wir kommen, um die Reste aufzuessen.« Er drehte sich zu Severin Dogas herum. »Die Schwiegermutter von Hauptkommissar Wolf ist Italienerin und kocht ausgezeichnet.«
Zum ersten Mal, seit Erik den Star begrüßt hatte, blickte er freundlich drein. »Also gut, fahren wir zu Ihnen!«
Erik warf seinem Assistenten einen finsteren Blick zu. War Sören von allen guten Geistern verlassen? Wie konnte er es wagen, diesen selbstherrlichen Filmhelden in sein Haus einzuladen? Wie konnte er behaupten, seine Schwiegermutter würde sich freuen? Wobei er natürlich recht hatte: Sie würde sich freuen. Und wie! Mit einem Schwall von Liebenswürdigkeit würde sie sich auf Dogas stürzen, ihm aus der Jacke helfen, als wäre er ein Kind, ihn zu seinem Stuhl führen, als wäre er blind, und ihm ihr Essen aufdrängen, als wäre er ein Rekonvaleszent. Sie würde fragen, ohne auf Antworten zu warten, würde antworten, ohne gefragt zu sein, würde lachen, während alle anderen ernst blieben und sich theatralisch ans Herz griffen. Schließlich würde sie die Grappaflasche holen und eine Geschichte aus ihrem Dorf erzählen, die niemanden interessierte. Zum Schluss würde dann Severin Dogas entweder betrunken oder am Ende seiner Kräfte sein und darum bitten, die polizeiliche Befragung auf den nächsten Tag zu verlegen. Das musste auf jeden Fall verhindert werden!
Doch als Erik in den Süder Wung einbog, verflog sein Ärger auf Sören und machte einem klammheimlichen Vergnügen Platz. Dass Severin Dogas’ Arroganz sich in der nächsten Stunde ein paar Beulen einhandeln würde, erfüllte ihn mit stiller Schadenfreude. Diesem blasierten Kerl geschah seine Schwiegermutter ganz recht.
Severin Dogas stieg erst aus, als auf dem Süder Wung kein Mensch zu sehen war. Dabei gab es sowieso nur wenige Straßenlaternen hier. Erik hatte mittlerweile die Haustür aufgeschlossen, und Sören sicherte nach allen Seiten, damit der Star unerkannt ins Haus gelangen konnte. Es war ja nicht auszuschließen, dass die Presse auch vor dem Hause Wolf herumlungerte, um über den gewaltsamen Tod von Dogas’ Frau etwas herauszubekommen.
Aber der Filmstar betrat das Haus, ohne gesehen zu werden, stellte sich in seiner unnachahmlichen aufrechten Haltung, mit der
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