Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
er seine Umgebung überragen wollte, in die Diele und sah sich um wie jemand, der auf keinen Fall bedrängt werden will, aber enttäuscht ist, wenn niemand den Versuch macht.
Eine halbe Stunde später hatte Felix so oft sein »Turbogeil!« hervorgestoßen, bis der Star ihm huldvoll die Hand gereicht und ihn damit zum Verstummen gebracht hatte, und Carolin war ihres Staunens Herr geworden, das sie zunächst an den Türpfosten genagelt und noch blasser gemacht hatte, als sie ohnehin schon war. Auch Mamma Carlotta hatte ihren Schock überwunden, der ihr zu Eriks Bedauern selten die Sprache verschlug, sondern vielmehr unzählige italienische Wörter und ein gutes Dutzend deutscher Ausrufe hervorbrachte.
Nun saß Severin Dogas am Küchentisch und sah interessiert zu den Töpfen auf dem Herd. Erik war es leider nicht gelungen, ihn ins Wohnzimmer zu lotsen, um ihn aus Mamma Carlottas Herrschaftsbereich zu entfernen. Wieder mal war er nicht schnell genug gewesen und hatte sein Anliegen noch nicht vorgebracht, als seine Schwiegermutter das ihrige bereits in die Tat umsetzte.
»Sie haben heute noch nichts gegessen? Terribile! Ich werde sofort …«
Erik bekam nicht mit, was sie Severin Dogas in Aussicht stellte. Er hielt die Kinder zurück, bevor sie sich in ihre Zimmer zurückziehen, zu ihren Handys greifen und ihren Freundeskreis über den Besuch informieren konnten. »Kein Wort zu irgendwem! Verstanden?«, zischte er ihnen zu.
Die beiden nickten beeindruckt, machten zum letzten Mal einen langen Hals, stießen sich gegenseitig an und verschwanden. Erik hoffte inständig, dass sich in den nächsten beiden Stunden weder Felix’ Fußballverein noch Carolins kichernde Freundinnen die Türklinke in die Hand geben würden.
Er ging in die Küche und beobachtete staunend, wie der Star Stück für Stück von seinem Thron herabstieg. Als Mamma Carlotta ihm mit Frischkäse gefüllte Peperoni vorsetzte, war er bereits ein ziemlich normaler Mann geworden, der nicht mehr an sein Image, sondern nur noch an seinen leeren Magen dachte. Erik beobachtete ihn unauffällig, während er aß und sich von Mamma Carlotta erklären ließ, wie der Frischkäse in die Peperoni gekommen war. Und er lächelte sogar, als er hörte, dass sie seine verstorbene Frau ihre Freundin nannte. In allen Einzelheiten bekam er geschildert, wie sich die Bekanntschaft vollzogen hatte und wie kostbar die Erinnerung an die Fahrt von Hamburg nach Sylt für Mamma Carlotta war.
Erik sah Severin Dogas prüfend an. Warum wunderte er sich nicht darüber, dass seine elegante, weltgewandte Frau, die vermutlich mit allen möglichen Prominenten Kontakt pflegte, sich zu einer italienischen Mamma hingezogen gefühlt hatte, die erst seit drei Monaten einen Lippenstift benutzte? Aber wenn er sich wunderte, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Und nicht einmal eine Spur von Ungeduld war zu erkennen, als Mamma Carlotta sich lang und breit über das gemeinsame Schicksal ausließ, das ihm seinen Sohn und ihr die Tochter genommen hatte. Im Gegenteil! Er vereinte sich mit Mamma Carlotta im kollektiven Leid und schien vergessen zu haben, dass er hier war, um von den Beamten, die im Tod seiner Frau ermittelten, befragt zu werden.
Erik fand sich damit ab und freute sich, dass er Severin Dogas auf diese Weise unauffällig beobachten konnte. Der Schauspieler war ein gut aussehender Mann von Ende fünfzig, mit dunklen Haaren, einem schmalen Gesicht und hellen Augen, die ständig in Bewegung waren. Unstet, sagte sich Erik, der an seiner Antipathie festhalten wollte. Erst recht, da er miterleben musste, wie Mamma Carlotta den Star anschwärmte und Sörens rundes Gesicht immer mehr einem frisch polierten Winterapfel glich, der von der Sonne der Prominenz beschienen wurde. Einer musste hier ja kühlen Kopf bewahren!
Endlich schaffte Erik es, seiner Schwiegermutter das Gespräch zu entziehen und die Rede auf Donata Zöllner zu bringen. Nein, eine Erklärung für Donatas Anwesenheit in Magdalena Feddersens Haus hatte Dogas nicht. »Ich habe sowieso nicht verstanden, warum sie plötzlich diesen alten Kontakt wieder aufnehmen wollte.« Er hob die Schultern und ließ sie ausdrucksvoll wieder fallen. »Donata rief mich von Sylt an. Angeblich hatte sie sich ganz spontan entschlossen, diese alte Freundin zu besuchen. Ich fand’s merkwürdig, aber ich hatte nicht viel Zeit und habe mich nicht weiter darum gekümmert. Sollte sie sich doch ein paar schöne Tage auf Sylt machen!«
»Wann
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