Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
seien. »Immer wenn du lieber in die Glotze guckst, statt zu arbeiten, braucht ein Pils plötzlich sieben Minuten!«
Fietjes Blick richtete sich wieder auf Carlottas Bettelarmband, ihre letzte Frage schien er nicht gehört zu haben. »Finden Sie nicht, dass Sie dem Witwer das silberne Rechteck zurückgeben sollten? Sie könnten es tun, ohne Verdacht zu erregen. Schließlich waren Sie mit seiner toten Frau befreundet.«
»Gut bekannt«, korrigierte Mamma Carlotta, »mehr nicht.«
Nun sah Fietje ihr zum ersten Mal in die Augen. Er ließ den Blick nicht einmal von ihrem Gesicht, während er den Schaum von seinem Pils abtrank. In seinem Blick lag eine Aufforderung, die Mamma Carlotta nicht verstand, die aber so dringlich war, dass sie befürchtete, es könnte die Freundschaft zu Fietje erneut gefährden, wenn sie jetzt eine falsche Frage stellte.
»Also, ich würd’s tun«, bekräftigte Fietje und nahm wieder die Haltung ein, in der er sich am wohlsten fühlte: die Arme auf der Theke, den Kopf über sein Bier geneigt.
Im Fernsehen dankte die Staatsanwältin gerade für die Aufmerksamkeit, und Mamma Carlotta fiel ein, dass sie Gero Fürst für heute Antipasti versprochen hatte. »Madonna! Wo habe ich bloß meine Gedanken? Ich bin ja noch nicht mal dazu gekommen, Gemüse einzukaufen!«
»Dann bringen Sie ihm die Antipasti eben nicht heute, sondern morgen«, schlug Tove vor.
»Aber ich muss doch auch ein Auge auf Carolina haben!« Mamma Carlotta rang verzweifelt die Hände.
»Bei Feinkost Meyer gibt’s Antipasti«, brummte Tove, »die sind total in Ordnung. Wenn ich die in meinem Imbiss verkauft habe, hat’s noch nie Beschwerden gegeben.«
Erik und Sören verließen die Polizeistation durch den hinteren Ausgang. Erik fluchte, als er sah, dass sein Wagen in der prallen Sonne stand. »Lassen Sie uns erst mal lüften!«, meinte er und öffnete die Fahrertür. Ein Schwall abgestandener, heißer Luft kam ihm entgegen.
Sören öffnete die Beifahrertür, legte die Arme aufs Autodach und das Kinn auf seine gekreuzten Hände. »In den Fluglisten sind die Namen Manuel Zöllner und Reginald Warden nicht gefunden worden.«
Erik lehnte sich gegen die geöffnete Fahrertür. »Das besagt gar nichts. Manuel Zöllner hat sich einmal falsche Papiere besorgt, das wird ihm auch ein zweites Mal gelingen.«
»Aber warum? Er konnte sich doch als Reginald Warden ganz sicher fühlen.«
»Jemand, der so lebt, ist nie ganz sorglos. Und einer, der einen Mord plant, wird auf Nummer sicher gehen wollen.«
»Manuel Zöllner wird vermutlich schon am Montag einen Flug von New York nach Hamburg genommen haben«, überlegte Sören. »Wie lange ist man auf dieser Strecke unterwegs?«
»Er musste zwischenlanden«, gab Erik zurück. »In München oder Frankfurt. Neun Stunden etwa wird er gebraucht haben.«
»Und dann nach Sylt! Entweder Montag Abend oder im Lauf des Dienstags. Das Risiko war beachtlich. Ob er keine Angst hatte, dass ihn jemand erkennt? Jemand von früher?«
»Er gilt als tot. Es sind Jahre vergangen. Er ist älter geworden.«
»Aber Magdalena Feddersen hat ihn erkannt.«
»Er wird zusätzlich sein Äußeres verändert haben. Perücke, Brille, Bart.«
»Stimmt.« Sören beugte sich ins Wageninnere. »Ich glaube, wir können.«
Sie stiegen ein, stöhnten gemeinsam gegen die Hitze an und kurbelten die Fensterscheiben herunter, um den Fahrtwind hineinzulassen. Erst nach längerem Warten gelang es Erik, sich in die Fahrzeugschlange einzugliedern, die über den Kirchenweg kroch. »Bin ich froh, wenn die Hauptsaison vorbei ist!«
»Er muss in einem Hotel abgestiegen sein«, überlegte Sören weiter. »Unter falschem Namen natürlich. Daher hat es wenig Sinn, dass wir die Hotels überprüfen.«
»Vielleicht ist er auch mit einem Privatflugzeug auf Sylt gelandet und gleich nach dem Mord wieder gestartet.«
Sören zuckt die Schultern. »Dann müsste der Pilot sein Mitwisser sein. Der hätte doch sonst gleich gewusst, was los ist, wenn er später von dem Mord hört.«
»Wir sollten das trotzdem überprüfen.«
»Habe ich schon«, gab Sören zurück. »Die Piloten der Privatflugzeuge müssen die Namen ihrer Passagiere angeben. Ein Manuel Zöllner oder ein Reginald Warden waren nicht dabei.«
Sie schwiegen eine Weile, während sie die Hitze der Stadt hinter sich ließen. Endlich wurde der Fahrtwind frischer. Er wurde kühl und salzig, er kam vom Meer.
»Glauben Sie, dass Magdalena Feddersen sich zunächst an Severin Dogas
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