Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
gewandt hat?«, fragte Sören, während sie die Norderstraße Richtung Wenningstedt fuhren.
»Könnte sein. Womöglich hat sie ihm gedroht, die Sache auffliegen zu lassen, seiner Frau die Wahrheit zu sagen. Vielleicht hat sie ihn sogar erpresst. Geld verdirbt den Charakter. Sie hatte zwar inzwischen genug davon, wollte aber vielleicht noch mehr.«
»Und Dogas waren die Hände gebunden, er konnte sich nicht wehren. Erstens steckte er in Dreharbeiten, zweitens ist es für einen Mann mit einem so bekannten Gesicht verdammt schwierig, heimlich eine Reise zu unternehmen.«
»Er ruft natürlich seinen Sohn in New York an und erzählt ihm, dass Gefahr im Verzug ist.«
»Und der sagt: Kein Problem, ich regle das. Ich bin offiziell tot. Wenn das Foto verschwunden ist und die Feddersen nicht mehr reden kann, sind wir aus dem Schneider.«
Erik nickte. »Doch er hat sich überschätzt. Er bringt Magdalena Feddersen um, damit er danach in Ruhe nach dem Foto suchen kann. Aber er ist nach dem Mord mit den Nerven am Ende und haut ab, ohne das Foto mitzunehmen.«
»Oder er wurde gestört.«
»Auch möglich. Verdammt, was ist denn da vorne los?«
Vor einer Bäckerei hatte es einen Auffahrunfall gegeben. Eine vollschlanke Mittvierzigerin in verschwitzten Shorts quälte sich aus ihrem Mercedes. Alles an ihr war in Bewegung, ihre Schenkel, ihre Oberarme, die Brüste, ihr Doppelkinn, während sie auf den Fahrer des Wagens einschimpfte, der ihr die Stoßstange und den rechten Kotflügel zerbeult hatte.
Erik lehnte sich zurück und betrachtete die Unfallgegner, ohne sie zu sehen. »Vielleicht hat Zöllner das Foto auf die Schnelle nicht gefunden. Aber er war vermutlich nicht sehr besorgt. Er hat sich gesagt, dass niemand dem Foto Bedeutung beimessen wird, der es findet. Ohne Magdalena Feddersens Aussage stellte es keine Gefahr dar.«
»Er konnte ja nicht ahnen, dass das Foto verrät, wann es gemacht worden ist.« Sören beugte den Kopf aus dem Fenster. »Können die nicht endlich die Straße frei machen?«
Erik zeigte auf einen Mann, der aus seinem Wagen sprang, mit Badehose, Sandalen und Sonnenbrille bekleidet, und sich daran machte, den beiden Kontrahenten die Meinung zu sagen. »Der verliert gerade die Nerven. Gleich wird’s weitergehen.«
Sören lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Was wird Manuel Zöllner gemacht haben, nachdem er Magdalena Feddersen umgebracht hat? Ins nächste Flugzeug und ab nach New York?«
»Jedenfalls runter von Sylt! Aber am nächsten Morgen hört er von seinem Vater, dass seine Mutter auf der Insel angekommen ist. Die hätte ihn auf jeden Fall erkannt, auch in der besten Verkleidung. Wenn er noch auf Sylt war, wird er spätestens dann die Flucht ergriffen haben.«
»Oder auch nicht, denn ihm muss ja schlagartig klar geworden sein, was Donatas Besuch zu bedeuten hatte.«
Erik legte den ersten Gang ein, die Fahrzeugschlange setzte sich in Bewegung. »Richtig, dafür gab es nur eine Erklärung: Magdalena Feddersen hatte vor ihrem Tod noch Donata angerufen und ihr von dem Foto erzählt.«
»Manuel hatte keine andere Wahl. Nun musste er doch das Foto finden und es beseitigen.«
»Er steigt noch einmal in das Haus ein und stößt dort auf seine Mutter.« Erik schüttelte den Kopf. »Was mag das für ein Wiedersehen gewesen sein?«
»Nicht auszudenken.« Sören machte einen langen Hals, während sie an den beiden Autos vorbeifuhren, deren Besitzer sich noch immer beschimpften. »Wahrscheinlich hat sie ihrem Sohn klipp und klar gesagt, dass mit ihrer Unterstützung nicht zu rechnen ist.«
»Und damit war ihr Schicksal besiegelt«, schloss Erik. »Er nahm den hölzernen Engel und schlug damit auf seine Mutter ein. Nicht einmal, sondern mehrmals, wie Dr. Hillmot sagt. So lange, bis sie sich nicht mehr rührte.« Er schüttelte sich, als überstiege diese Vorstellung seine Einbildungskraft.
Schweigend legten sie den Rest des Weges zurück. Als sie in den Süder Wung einbogen, sagte Sören: »Und wenn es doch Severin Dogas war?«
»Das glaube ich nicht. Sein Alibi ist zwar nicht lückenlos, aber er müsste geradezu ideale Zugverbindungen gehabt haben, um jedes Mal rechtzeitig wieder bei den Dreharbeiten zu erscheinen. Und wie gesagt …«
»… sein bekanntes Gesicht!«, ergänzte Sören und stieg aus.
Mamma Carlotta hatte sich ein Wettrennen mit der Zeit geliefert. Ihre Stunden, die in Umbrien behäbig und unauffällig ihre Aufgabe erfüllten, wurden nun plötzlich geschubst und
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