Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
in Vergessenheit. Es wurden ihm nach einer Weile auch wieder gute Rollen angeboten, die Öffentlichkeit redete nur noch von dem armen Vater, der seinen einzigen Sohn verloren hatte. Es muss ein großartiger Moment für ihn gewesen sein, als Manuel ihn anrief und ihm mitteilte, dass er noch lebte.« Erik blickte Dogas freundlich an. »Das war es doch, oder?«
»Ich dachte, ich kriege einen Herzinfarkt«, brummte Dogas.
»Warum hat Ihr Sohn sich so lange Zeit gelassen?«
»Weil er Angst hatte, dass seine Mutter nicht mitspielen würde«, kam es prompt zurück. »Donata war ein rechtschaffener Mensch. Sie hätte nicht zugelassen, dass Manuel nicht für das geradesteht, was er angerichtet hat. Sie hätte nicht in der Öffentlichkeit um ihren toten Sohn trauern können, während der in New York ein neues Leben führt, von dem niemand etwas weiß.«
»Woher haben Sie von dem Foto gewusst?«, fragte Erik. »Hat Magdalena Feddersen zunächst Sie angerufen? Sind Sie von ihr erpresst worden?«
»Ich habe nichts davon gewusst!«, brüllte Severin Dogas so plötzlich los, dass alle zusammenzuckten.
»Natürlich haben Sie es gewusst«, beharrte Erik. »Und Ihr Sohn ebenfalls. Wer von Ihnen beiden hat Magdalena Feddersen auf dem Gewissen?«
Severin Dogas machte Anstalten, sich auf Erik zu stürzen. »Wagen Sie nicht, diese Frage noch einmal zu stellen!«
»War es Ihr Sohn? Wir werden natürlich die Flugpläne nach einem gewissen Reginald Warden durchsuchen lassen. Andererseits – wer einmal seine Identität gewechselt hat, kommt sicherlich auch ein zweites Mal an falsche Papiere.«
Die Staatsanwältin sprang auf, als wollte sie einen drohenden Zweikampf verhindern. Auch Sören stieß sich von der Fensterbank ab und ließ erkennen, dass er seinen Chef mit bloßen Fäusten verteidigen würde, wenn es nötig sein sollte.
Erik blieb als Einziger ganz ruhig und wich keinen Zentimeter zurück. »Also – wo waren Sie zur Tatzeit?«
Dogas’ Zorn fiel in sich zusammen wie ein Luftballon, der einer Nadel zu nahe gekommen war. »In Köln«, brummte er. »Dreharbeiten!«
»Gibt es Zeugen?«, fragte Erik.
Dogas antwortete nicht. Er starrte auf die Tischplatte, auf die seine Fingerspitzen ein bizarres Muster malten.
»Und in der Nacht, in der Ihre Frau ermordet wurde?«, fragte Erik weiter.
Nun blickte Dogas auf und starrte ihn an. »Sie glauben, ich könnte auch meine Frau umgebracht haben?«
Erik zuckte betont gleichmütig die Schultern. »Was blieb Ihnen anderes übrig, wenn Sie verhindern wollten, dass Sie doch noch wegen Betruges belangt werden? Und wenn Sie verhindern wollten, dass das schöne Lügengebäude, in dem sich Ihr Sohn eingerichtet hat, zusammenbricht?« Er betrachtete Dogas, der immer noch mit offenem Mund dasaß. »Wir werden natürlich auch Ihren Sohn befragen. Es wird noch heute ein internationaler Haftbefehl rausgehen. Außerdem werden wir natürlich Ihr Haus in München durchsuchen lassen. Frau Dr. Speck wird heute noch den richterlichen Durchsuchungsbeschluss beantragen, damit die Münchner Kollegen anfangen können.«
In Käptens Kajüte hatte jeder Gast den Kopf in den Nacken gelegt, denn der Fernseher war platzsparend über dem Grill an der Wand befestigt worden. Auf dem Bildschirm erschien soeben die Staatsanwältin und versicherte der Öffentlichkeit, dass alles getan würde, um die beiden Mordfälle auf Sylt so schnell wie möglich zur Aufklärung zu bringen.
Tove war der Einzige, der den Blick vom Bildschirm nahm, als Mamma Carlotta eintrat. Wortlos griff er zur Rotweinflasche, doch sie winkte ab. »Bloß kein Alkohol! Ich brauche einen Espresso. Am besten einen doppelten!«
Was Tove ihr vorsetzte, war mindestens ein dreifacher. Carlottas Blick gewann prompt an Klarheit, ihre Bewegungen wurden sicherer. Während die Staatsanwältin behauptete, man habe in beiden Mordfällen bereits eine heiße Spur, berichtete Mamma Carlotta leise von ihrem Gespräch mit Frau Berhenne. Und sie war zufrieden, als Tove zum selben Schluss kam wie sie.
»Es muss alles so gewesen sein, wie dieser Schriftsteller es beschrieben hat.« Er lehnte sich über die Theke, sein Hemd stand offen, und Mamma Carlotta konnte sehen, wie der Schweiß an seinem Hals herunterlief und im Brusthaar versickerte. »So einer sagt alles, was er mitzuteilen hat, durch seine Romane. Am Ende wird er dann seine Geliebte doch verraten haben.«
»Aber wann?«, fragte Mamma Carlotta flüsternd. »Das Buch wird erst in einem Jahr erscheinen,
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