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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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du behauptest, wir hätten noch genug Zeit, bin ich einverstanden, das Triebwerk abzuschalten, damit es nicht in die Luft fliegt. Von deiner Warte aus betrachtet, wäre es vermutlich besser, wenn wir über den Punkt hinaussegeln, an dem wir den Reaktor abwerfen müssen, anstatt in einem Feuerball zu verglühen. Richtig?«
    »Daran hatte ich nicht gedacht«, sagte Loki. »Wir könnten Isheimur natürlich nach einer Umrundung ein zweites Mal anfliegen. Rein theoretisch.«
    »Vorausgesetzt, uns geht nicht vorher der Treibstoff oder die Luft aus.«
    »Wenn ich dich belügen, aber behaupten würde, nicht zu lügen, woher solltest du das dann wissen?«, fragte Loki. »Dieser Gedankengang führt in den Irrsinn, Karl. Ich versichere dir, dass wir uns innerhalb der Parameter bewegen, die den rechtzeitigen Abwurf des Reaktors ermöglichen. Sollte sich das ändern, werde ich dich informieren.«
    Tick. 36 Stunden. Das Triebwerk schwieg eine halbe Stunde lang. Karl hatte während der letzten drei Tage kaum geschlafen, und seine Eingeweide fühlten sich an, als hätte er ein Messer verschluckt. Entweder waren die für seinen Kreislauf und seine Verdauung zuständigen Nanophyten abgestorben oder sie konnten ganz einfach nicht mehr mit der ständigen Belastung Schritt halten.
    Tick. Beim Stand von 27 Stunden verstummte das Triebwerk für eine halbe Stunde. »Unsere Geschwindigkeit ist auf unter 20 Kilometer pro Sekunde gesunken«, sagte Loki. »Jede weitere Sekunde hat nicht mehr die Auswirkungen, die sie noch bei unserer Höchstgeschwindigkeit gehabt hätte.«
    Aber sehr viel geringer sind die Auswirkungen auch nicht geworden, dachte Karl.
    Tick. 18 Stunden und 30 Minuten. Diesmal stand das Triebwerk 40 Minuten lang still. »Wir nähern uns dem Punkt, an dem uns nur noch sehr wenig Zeit bleibt, den Reaktor abzuwerfen und auf der anderen Seite des Kometen in Deckung zu gehen«, verkündete Loki.
    »Was passiert, wenn wir ihn unterhalb einer Entfernung von 100000 Kilometer zu Isheimur sprengen?« Wie alle anderen verbrachte auch er immer mehr Zeit auf der Brücke, selbst wenn er keinen Wachdienst hatte. Die Kommandozentrale war zu einer Art schwarzem Loch geworden, das einen unwiderstehlichen Sog ausübte. Der Blick auf den Bildschirm und durch die jetzt nicht mehr mit Sichtschutzblenden verschlossenen Fenster, die von dem schmutzig weißen Kometen ausgefüllt wurden, hatte etwas Hypnotisches an sich.
    Tick. Der Countdown unterschritt die Zehn-Stunden-Marke. Als die Anzeige auf neun Stunden, 59 Minuten und 59 Sekunden umsprang, stieß Karl einen erleichterten Seufzer aus. Sie hatten eine weitere Hürde passiert.
    Doch seine Erleichterung währte nicht lange. Schon einige Minuten später verstummte der Antrieb. »Was passiert, wenn du ihn nur noch ein paar Stunden lang laufen lässt?«, fragte er.
    »Das Risiko, dass er durchbrennt, ist jetzt schon sehr groß«, erwiderte Loki. »Es wäre mir lieber, wenn das bei geringer Leistung statt bei Vollschub geschieht.«
    20 Minuten später zündete er das Triebwerk wieder, und die Mikrogravitation ersetzte die Beinahe-Schwerkraft, die Fenris ausübte.
    Die nächsten fünf Stunden zogen sich wie zäher Leim in die Länge.
    Bera traf als Letzte auf der Brücke ein. Ihr Gesicht war schmal und hager. Die Ringe unter ihren Augen verrieten, wie wenig sie während der letzten Nächte geschlafen hatte. Selbst ihr verzweifeltes Liebesspiel konnte ihr nur noch kurzfristig Trost spenden.
    Sie nahm im Sessel neben Karl Platz, und er spürte das Zittern ihrer Finger, als sie ihre Hand in die seine schob.
    »Alles okay?«, flüsterte er.
    Sie nickte zweimal schnell. »Ich bin froh, wenn das Warten vorbei ist.«
    »Das ist es schon bald«, sagte er. »Wie ist unsere Geschwindigkeit?«, fragte er Loki den anderen zuliebe.
    »Sie ist gerade unter 13 Kilometer pro Sekunde gesunken«, erwiderte Loki. »Wir befinden uns noch knapp 234000 Kilometer von Isheimur entfernt. Nahe genug, um den Abwurf des Reaktors einzuleiten.«
    »Einverstanden«, sagte Karl.
    Das Brüllen des Antriebs verstummte, und einen Moment lang senkte sich die Stille wie ein Laken auf die Brücke herab. Dann erwachten die Steuerdüsen zum Leben, deren Rauschen heller als das des Hauptantriebs klang. Einen furchtbaren Moment lang geschah nichts. Wir stecken fest!, schoss es Karl durch den Kopf, doch dann löste sich die Winter Song langsam aus dem Griff des Kometen.
    Diesmal flogen sie in einem Viertelkreis in südlicher Richtung um Fenris

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