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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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stämmige Beine, und hin und wieder entdeckte er kleine Ohren, die aus dem langen feinen Fell hervorragten. Sie kamen ihm irgendwie vertraut vor. »Kann man sie essen?«
    Bera schüttelte den Kopf. »Schön wär’s, aber ihr Fleisch ist leider giftig.« Sie schwieg eine Weile und fügte dann hinzu: »Ist dir eigentlich klar, dass du dir Ragnar vielleicht ohne einen vernünftigen Grund zum Feind gemacht hast?«
    Er starrte sie an. »Wie meinst du das?«
    »Unsere Reise führt mehr als 2000 Kilometer weit durch eine Wildnis, in der es nur Trolle und gefährliche Tiere gibt. Das Wetter wird immer schlimmer werden, unsere Vorräte sind begrenzt, und wahrscheinlich wird uns Ragnar die ganze Zeit über auf den Fersen sein.«
    »Also das reinste Kinderspiel«, sagte Karl.
    Langsam machte sich ein Lächeln auf Beras Gesicht breit, bis sie regelrecht strahlte. »Kaum mehr als ein Sonn tagsspaziergang.«
    »Warum bist du überhaupt mitgekommen?«, fragte Karl.
    »Weil es überall auf Isheimur besser als in Skorradalur ist«, antwortete Bera.
    Die Bewegungen seines Pferdes hatten etwas Hypnotisches an sich, und Karl ließ zu, dass seine Gedanken auf Wanderschaft gingen.
    Als er wieder zu sich kam, lag er in Beras Armen. »Oh-ha!«, stieß er hervor. »Was ist passiert?«
    »Du bist wieder weggetreten«, erwiderte Bera.
    Er stieß den Atem aus. »Liegt wahrscheinlich an dem Schlag, den ich auf den Kopf bekommen habe, als ich hier gelandet bin.«
    »Tatsächlich?« Bera machte sich nicht die Mühe, ihre Zweifel zu verbergen.
    Karl zermarterte sich vergeblich das Hirn, was den Anfall ausgelöst haben könnte. Er hatte nicht den Eindruck, dass sein Gedächtnis schlechter geworden war, aber woran hätte er eine eventuelle Veränderung auch messen können?
    »Vielleicht sollten wir etwas früher als geplant Rast ma chen«, schlug Bera vor.
    »Nein«, sagte Karl. »Lass uns weiterreiten.«
    Hinterher war sich Ragnar nicht mehr sicher, was er geträumt hatte und was wirklich geschehen war.
    Er hatte sich mit einer Flasche Brennivin – der fürchterliche Schnaps, von dem man normalerweise höchstens ein Gläschen trank – und einem heißen Ziegelstein ins Bett gelegt. Den Ziegelstein schob er unter die Decke, um das Bett vorzuwärmen, legte sich dann aber auf die Tagesdecke und trank den Brennivin Schluck für Schluck. Er spürte die willkommene, wenn auch beängstigend intensive Hitze, mit der der Schnaps seine Kehle hinabrann, und wünschte sich, dass sie die Erinnerungen aus seinem Hirn herausbrennen würde.
    Die Bilder von Yngi, seinem kleinen Yngi, der wie ein geprügelter Hund auf dem Boden kauerte … der wie ein Tier schrie, dem das Rückgrat gebrochen worden war, während ihm Ströme von Blut über das Gesicht liefen. Arnbjorn, der versuchte, ihn von seinem Bruder fortzuziehen und mit rudernden Armen um sein Gleichgewicht kämpfte, als sein tobender Vater ihn quer durch das Zimmer schleuderte. Es hätte der Utlander sein sollen, Allman hätte die Fausthiebe einstecken müssen, einen nach dem anderen, Fäuste, die erbarmungslos auf nachgebendes Fleisch eindroschen, die Yngis Luft- und Speiseröhre knirschend zusammenquetschten und die Knochen in seinem Gesicht splittern ließen.
    Ragnars Fingerknöchel waren wund und angeschwollen, seine Augenlider schwer, und es fühlte sich so unge mein behaglich an, hier auf diesem weichen Bett zu liegen, während der Schnaps die Schuld aus ihm herausbrannte. Er stieß ein Kichern aus, das in Wirklichkeit eher ein Schluchzen als ein Lachen war. Vielleicht würde ihm der Alkohol die Kehle wegätzen, bevor er ihn in einen langen traumlosen Schlaf versinken ließ.
    Er war es leid, ständig kämpfen zu müssen, gegen seine Söhne, den Schwarzen Hund, das schrille Gekeife der Frauen und vor allen Dingen gegen den Utlander und die verräterische Bera. Draußen vor dem kleinen Fenster tanzte der Schnee in einem hypnotischen Reigen in der Luft, und als sich der Pegel des Brennivins allmählich dem Flaschenboden näherte, spürte Ragnar, wie ihm die Augen zufielen.
    Wie immer, wenn er kurz davor war, in den Schlaf zu sinken, wanderten seine Gedanken in verborgene Regionen, in die sie sich im Wachzustand nie wagen würden.
    Der Utlander hatte sich die Frauen gefügig gemacht, den ganzen Haufen. Muss wohl an seinem riesigen Schwanz liegen, dachte Ragnar mit einem leisen betrunkenen Kichern, der es mit dem Ding eines Pferdes aufnehmen könnte. Vor seinem inneren Auge nahm ein Bild Konturen an. Er sah

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