Gestrandet
Es ist ein Bluff, ja, ganz bestimmt!
»Ich bin ein sehr gefährlicher Feind, wenn ich will«, fuhr Aren fort. »Mir steht ein recht großes Waffenpotential zur Verfügung, um es vorsichtig auszudrücken. Wenn es dir ein Trost ist: Eigentlich blieb Captain Janeway gar keine andere Wahl, als dich aufzugeben.«
Erneut schwieg er, und Kes fühlte seinen aufmerksamen Blick. Bisher gab es keine Anzeichen für eine telepathische Begabung des Rhulani, und bei einer vorsichtigen mentalen Sondierung hatte die Ocampa nur einen starken Willen gefunden, mehr nicht. Warum also fühlte sie sich plötzlich so, als stünde sie nackt vor ihm, körperlich, geistig und auch emotional? Warum gewann sie den Eindruck, daß der Blick seiner violetten Augen bis in den Kern ihres Selbst reichte?
»Du kannst von Glück sagen«, meinte Aren plötzlich. »So viele Personen lieben dich. Wenn es wirklich Götter gibt, so lächeln sie auf dich herab.« Er schmunzelte. »Und auch auf mich, denn sie haben dich zu mir geschickt. Dies ist kein Käfig, Kes, wirklich nicht. Du wirst sehen. Sobald dir klar wird, daß ich dir niemals ein Leid zufügen könnte… Wenn diese Erkenntnis in dir heranreift, bin ich imstande, dich an jeden beliebigen Ort zu bringen.«
»Nur nicht zur Voyager. Sie wollen mir keine Gelegenheit geben, mein früheres Leben fortzusetzen.«
Aren seufzte und stand auf. »Das Zimmer dort hinten gehört dir. Mir ist klar, daß du dich gelegentlich zurückziehen und allein sein möchtest. Ich respektiere diesen Wunsch, aber nicht für immer. Du kannst mich dann und wann fortschicken, aber ich werde das Zimmer betreten, wenn ich will.«
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging.
Kes blieb allein zurück. Gefangen.
Ihr Magen knurrte – der Körper hatte eigene Bedürfnisse.
Widerstrebend griff Kes nach einer glänzenden Frucht und biß hinein, während ihr Tränen langsam und heiß über die Wangen rannen.
»Captain.«
Das Wort ergab keinen Sinn, obwohl Janeway wußte, daß es eine ganz bestimmte Bedeutung für sie haben sollte. Ihre Wahrnehmung beschränkte sich zum größten Teil auf einen heftigen, sengenden Schmerz, der zwischen den Schläfen wütete.
»Captain.«
Jemand sprach das Wort mit etwas mehr Nachdruck aus. Eine tiefe, ruhige Stimme. Janeway kannte diese Stimme. Sie gehörte…
»Tuvok.«
Die eigene Stimme, kaum mehr als ein Krächzen, klang fremd. Doch als sie den Namen des Vulkaniers nannte, kehrte das Gefühl für die Realität zurück. Janeway blinzelte und blickte in ein dunkles Gesicht, von dem Tuvok gern glaubte, es bliebe immer ausdruckslos; jetzt zeichnete sich deutliche Erleichterung darin ab.
Er hob den Zeigefinger und bewegte ihn von rechts nach links. »Folgen Sie dem Finger mit Ihren Augen.« Janeway kam der Aufforderung nach, und daraufhin nickte Tuvok.
»Ausgezeichnet. Bitte nennen Sie mir Ihren Namen.«
Sie wußte, worauf er hinauswollte. »Ich bin Captain Kathryn Janeway, Kommandantin des Föderationsschiffes Voyager.«
Jedes Wort kam einem Sieg gleich.
»Gut. Können Sie Hände und Füße bewegen?«
Sie versuchte es und schnitt dabei eine Grimasse. Jemand schien sie mit einem großen Knüppel verprügelt zu haben.
Janeway befeuchtete sich die trockenen Lippen und brachte zwei weitere Worte hervor:
»Die… Crew?«
»Alle haben den Absturz überlebt, wenn auch nicht ohne Verletzungen. In Ihrem Fall vermute ich eine leichte Gehirnerschütterung. Was mich betrifft: Ich habe mir den Arm gebrochen.«
Janeways Blick glitt nach unten, und sie bemerkte Blut an Tuvoks Uniform. Sein Arm ruhte in einer improvisierten Schlinge.
Der Vulkanier kam Janeways Frage zuvor. »Ein starker Ionenimpuls verursachte den Absturz. Alle energetischen Systeme an Bord versagten.«
»Und er meint wirklich alle«, sagte Torres verdrießlich und schob sich in Janeways Blickfeld. »Alles ist betroffen, nicht nur die Bordsysteme, sondern auch Phaser, Tricorder, Untersuchungsinstrumente und so weiter. Die einzigen nützlichen Dinge in den Medotaschen sind jetzt Verbände, für den Notfall bestimmte Schmerztabletten und Salben.«
Janeway stemmte sich vorsichtig hoch, und Tuvok half ihr dabei, sich an die Wand zu lehnen. »Wie ist die Lage?« fragte sie, als Fähnrich Bokk kam und ihr ein feuchtes Tuch auf den verletzten Kopf legte.
Torres nahm kein Blatt vor den Mund. »Es sieht sehr schlecht aus. Das Shuttle kann durchaus repariert werden, aber dafür brauchen wir mehr Werkzeuge, als uns derzeit zur
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