Gestrandet
Verfügung stehen. Der wichtigste Punkt ist: Wir haben ein Problem mit dem Warpkern. Die Gondeln wurden beim Absturz beschädigt, und Plasma entweicht aus ihnen. Tom und ich haben etwas zusammengebastelt, und dadurch hält sich der Plasmaverlust in Grenzen.«
»Ja, aber nur bis zum nächsten Ionenimpuls«, erwiderte Paris.
Er wandte den Blick von den Kontrollen ab und wischte sich Schweiß von der Stirn. »Wenn es noch einmal zu einem so starken Impuls kommt, ist ein Warpkern-Kollaps
unvermeidlich.«
Janeway wußte, was ein solcher Kollaps anrichten konnte, und sie schauderte unwillkürlich: Die Explosion würde einen ziemlich großen Brocken aus dem Planeten reißen und sie alle töten.
Janeway stützte den Rücken an die kühle Metallwand und dachte über die Situation nach. Das Shuttle nützte ihnen nichts mehr. Sie konnten keinen Kontakt mit der Voyager aufnehmen.
Sie hatten weder Waffen noch moderne Medo-Geräte, und einige von ihnen waren verletzt. Niemand von ihnen konnte vorhersagen, ob und wann es erneut zu einem starken
Ionenimpuls kommen mochte. Durch eine neuerliche
Entladung von der erlebten Stärke wären alle Überlegungen in Hinsicht auf die Rückkehr zum Schiff überflüssig geworden.
Sie saßen auf Mischkara fest. Auf einem Planeten, über den ein Größenwahnsinniger herrschte, der Kes gefangenhielt und sie alle umbringen wollte.
Es fiel Janeway nicht schwer, sich bessere Situationen vorzustellen.
Paris stand auf und streckte sich. Janeway hörte, wie seine Gelenke knackten. »Ich sehe mir die Sache einmal von draußen an«, sagte er.
»Wenigstens kann es nicht noch schlimmer werden«, meinte Neelix.
Paris mußte die Luke manuell öffnen, was ihm schließlich auch gelang – die Rampe neigte sich nach unten. Von ihrer Position aus konnte Janeway nicht nach draußen sehen, aber sie beobachtete, wie der Pilot erbleichte, als er durch die offene Luke starrte.
Offenbar war es gerade schlimmer geworden.
»Captain«, sagte Paris und blickte auch weiterhin nach draußen, »wir haben Besuch.«
Chakotay sah zum Hauptschirm und betrachtete die graugrüne Wolke aus Gas und Energie, die den ganzen Planeten umgab.
Aber eigentlich galt seine Aufmerksamkeit gar nicht
Mischkara. Vor dem inneren Auge sah er Kathryn Janeway so, wie sie ausgesehen hatte, bevor sie den Turbolift betrat. Ganz deutlich erinnerte er sich an die Entschlossenheit in ihren Augen, an das vorgeschobene Kinn, das ihrem Gegner
Probleme in Aussicht stelle.
Der Erste Offizier wollte auf keinen Fall in der Haut von Aren Yashar stecken.
Das schiefe Lächeln verschwand von Chakotays Lippen, als er an die Ereignisse der vergangenen zwei Stunden dachte. Das Shuttle war nicht am vereinbarten Rendezvouspunkt
eingetroffen. Zwar wußte Chakotay, daß die Verhandlungen mit Yashar schwierig sein mochten, aber trotzdem schöpfte er Verdacht. Janeway war nicht mit der Hoffnung aufgebrochen, das Oberhaupt der Piraten dazu überreden zu können, Kes wieder freizugeben. Ihr ging es nur um eine Einschätzung der Situation, und deshalb hätte sie inzwischen zurück sein sollen.
Irgend etwas mußte schiefgegangen sein. Das Unbehagen des Ersten Offiziers verdichtete sich immer mehr.
»Krankenstation an Brücke. Bitte aktivieren Sie den Kanal des holographischen Medo-Programms.«
Chakotay war so tief in Gedanken versunken, daß ihn die immer ein wenig verdrießlich klingende Stimme des Holo-Arztes zusammenzucken ließ. Er beugte sich vor und betätigte eine Schaltfläche. »Was ist los, Doktor?«
»Es geht um das Stockholm-Syndrom.«
Chakotay runzelte die Stirn. »Mit diesem Begriff bin ich nicht vertraut.«
Der Doktor rollte mit den Augen – eine Reaktion, die Chakotay verabscheute. Der holographische Arzt hatte unmittelbaren Zugriff auf so viele verschiedene Informationen, daß er dazu neigte, die Geduld mit Personen zu verlieren, die nicht so gut dran waren wie er. Eine verständliche Reaktion –
die den Ersten Offizier aber trotzdem ärgerte.
»Ich nehme an, Sie wissen wenigstens, was es mit Stockholm auf sich hat, oder?«
»Ja. Es ist eine Stadt in Schweden, auf der Erde.«
»Oh, wir machen Fortschritte. Der Begriff ›Stockholm-Syndrom‹ entstand im späten zwanzigsten Jahrhundert. Eine Frau wurde damals von einem Bankräuber als Geisel
genommen…«
»Bankräuber?«
Der Doktor knirschte mit den Zähnen. »In Banken bewahrte man Geld auf. Bankräuber überfielen jene Orte, um Geld zu stehlen. Verstanden?«
»Ja, Doktor«,
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