Gesund durch Meditation
andere Leute, den Urlaub, unsere Gesundheit, den Tod, die Rechnungen und vieles andere mehr. Während wir in der Meditation sitzen, herrscht in unserem Kopf ein Tumult von Gedanken. Meistens sind wir uns dessen gar nicht bewusst, bis wir irgendwann bemerken, dass wir längst nicht mehr beim Atem sind. Es ist wie ein Erwachen aus der Gedankenverlorenheit, und weder wissen wir, woher diese Gedanken gekommen, noch, wann sie an die Stelle des Atemgewahrseins getreten sind.
An diesem Punkt sagt man sich: »Was immer das für Gedanken sein mögen, ich lasse sie los und wende mich in diesem Augenblick wieder dem Atem zu. Zunächst aber mache ich mir klar, dass es sich tatsächlich nur um Gedanken handelt, um Bewusstseinsereignisse.« Die Gedanken loszulassen heißt nicht, sie wegzudrängen. Es bedeutet einfach nur, sie das sein zu lassen, was sie sind, während wir die Atemempfindungen erneut in den Fokus unseres Gewahrseins rücken. Außerdem ist es hilfreich, die Sitzhaltung zu überprüfen und sich wieder gerade aufzurichten, falls man in sich zusammengesunken ist, was für gewöhnlich der Fall ist, wenn der Geist abdriftet oder ins Dämmern gerät.
Weitere Meditationsobjekte
Während der ersten MBSR -Woche steht die Atembeobachtung im Mittelpunkt. Schon auf diese Weise könnte man endlos meditieren. Die Meditation würde sich immer mehr vertiefen, der Geist immer ruhiger und entspannter werden, die Achtsamkeit – also das nicht wertende Gewahrsein jedes Augenblicks – immer intensiver.
Auch eine sehr einfache Technik wie die Atembeobachtung hat eine zutiefst heilsame und befreiende Wirkung, die der Heilwirkung einer strukturierteren Methode in nichts nachsteht. Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass eine Methode »fortgeschrittener« als eine andere sei. Das Ruhen im Atem ist keineswegs weniger »fortgeschritten« als die Konzentration auf andere Aspekte der inneren und äußeren Erfahrung. Jede Methode hat ihren Platz und ihre Bedeutung in der Entwicklung von Achtsamkeit und Einsicht. Von wesentlicher Bedeutung sind Qualität und Ernsthaftigkeit Ihres Bemühens und die Tiefe Ihrer Schau, nicht die »Methode«, nach der Sie üben, und auch nicht das Objekt der Aufmerksamkeit. Wenn Sie wirklich aufmerksam sind, kann sich über jedes beliebige Objekt ein Zugang zum unmittelbaren Gewahrsein des Augenblicks eröffnen. Vergessen Sie nicht, dass es immer ein und dasselbe Gewahrsein ist, gleichgültig, welches Ziel wir bei einer bestimmten Technik für unsere Aufmerksamkeit wählen. Das Atemgewahrsein ist und bleibt jedoch ein mächtiger und wirkungsvoller Ankerpunkt für alle anderen Aspekte meditativer Aufmerksamkeit. Aus diesem Grund kehren wir immer wieder zu ihm zurück.
In der zweiten Kurswoche beginnen wir dann für gewöhnlich mit der Sitzmeditation. Das bedeutet, dass nun täglich zusätzlich zu dem fünfundvierzigminütigen Body-Scan, den Sie im nächsten Kapitel kennenlernen werden, weitere zehn Minuten für die Sitzmeditation hinzukommen. Im Verlauf des gesamten Kurses wird die Sitzmeditation bis auf fünfundvierzig Minuten ausgedehnt. Gleichzeitig erweitern wir nach und nach das Spektrum an Eindrücken und Erfahrungen, die wir als Beobachter in unser Wahrnehmungsfeld einbeziehen.
Über die acht Wochen des MBSR -Programms erweitern wir in der Sitzmeditation nach und nach die Ebenen der Aufmerksamkeit: Vom Atem ausgehend beziehen wir schrittweise Empfindungen in bestimmten Körperregionen mit ein, dann die Empfindung des ganzen Körpers, danach Umgebungsgeräusche und schließlich die gedankliche Aktivität. Manchmal konzentrieren wir uns lediglich auf einen dieser Aspekte. Dann wieder gehen wir während einer anderen Sitzung alle Ebenen nacheinander durch und lassen die Übung in reine Aufmerksamkeit einmünden, bei der wir uns auf nichts Spezielles konzentrieren, sondern auf alles achten, was für uns in Erscheinung tritt, seien dies Geräusche, Gedanken oder auch der Atem. Diese Form nennen wir auch
ungerichtetes Gewahrsein (choiceless awareness)
oder
schwebende Präsenz (open presence)
– wir sind einfach nur empfänglich für das, was sich uns von Augenblick zu Augenblick zeigt, während wir in Gewahrsein verweilen. Das mag einfach klingen. Tatsächlich jedoch verlangt diese Übungsform ein hohes Maß an innerer Stille und Achtsamkeit. Am ehesten lassen sich Stille und Achtsamkeit entwickeln, wenn man ein Objekt der Konzentration auswählt, in der Regel also den Atem, mit dem man über Monate
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