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Gesund durch Meditation

Gesund durch Meditation

Titel: Gesund durch Meditation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Kabat-Zinn
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entsteht und die Wunde darunter heilen kann.
    Muten wir aber unserem Organsystem zu viel zu, etwa indem wir mehr Alkohol konsumieren, als es vertragen kann, müssen wir eines Tages tatsächlich an unsere Leber denken, und manchmal ist sie dann nicht mehr zu retten. Das Gleiche gilt für die Wirkung des Rauchens auf unsere Lungen. Selbst mit seinem komplexen Reparaturvermögen und dem körpereigenen Schutz- und Reinigungssystem kann unser Organismus nur ein gewisses Maß an Missbrauch tolerieren – sonst bricht er zusammen.
    Wie Hans Selye betonte, ist ein stressfreies Leben unmöglich. Der Lebensvorgang selbst bedeutet, in der Anpassung an die wechselnden Bedingungen im Innen und Außen Kräfte und Substanz zu verzehren. Die Frage aber, die uns hier interessiert, lautet: Welches Maß an Abnutzung und Verschleiß muss sein? Der moderne Fachbegriff für diesen biologischen Verschleißprozess ist »allostatische Last«
(allostatic load).
Er stammt von Bruce McEwen, einem renommierten Stressforscher an der Rockefeller University, der ihn in Anlehnung an das Konzept der Allostase (griech., etwa: »variabler Zustand«) von Sterling und Eyer formulierte, die damit ihrerseits das von Claude Bernard stammende Konzept der Homöostase (»ähnlicher Zustand«) erweiterten. Ihre Absicht dabei war, die Physiologie der Stressreaktion und insbesondere die steuernde Rolle, die das Gehirn dabei übernimmt, präziser darstellen zu können. Geht man von der ursprünglichen Wortbedeutung aus, so bezeichnet Allostase die Fähigkeit von Systemen, »ihre Stabilität durch Veränderung aufrechtzuerhalten«. Laut McEwen zeigen diese Veränderungen nirgends ein so dramatisches Ausmaß wie in den Systemen, die an der Stressreaktion beteiligt sind, die im Extremfall zur Kampf-oder-Flucht-Reaktion wird.
    Unser Körper verfügt über allostatische Mechanismen, die unter extremen Stressbedingungen hochkomplexe Interaktionsabläufe steuern und optimieren. Was aber kurzfristig eine zweckmäßige und schützende Reaktion des Körpers auf Stress ist, kann auf Dauer selbst zu einem äußerst schädlichen Stressfaktor werden. Wie wir achtsam mit Stress umgehen, im Unterschied zur habituell gewordenen Stressreaktion, und damit die negativen Auswirkungen von Stress auf den Körper, also seine allostatische Last erheblich reduzieren können, ist ein Thema, dem wir uns in den folgenden beiden Kapiteln zuwenden werden.
    Viele Begebenheiten wie Heirat, Beförderung oder besondere persönliche Erfolge gelten normalerweise als »glückliche« Ereignisse. Aber selbst wenn wir sie als »positiv« einschätzen, bringen sie dennoch oft eine stark veränderte Lebenssituation mit sich, die Anpassung verlangt und deshalb mit Stress verbunden sein kann. In Selyes Terminologie sind das Beispiele von
Eustress,
also »gutem Stress«. Ob sie zu
Disstress,
also zu »schädlichem Stress« führen, hängt in hohem Maße davon ab, wie gut die Anpassung gelingt. Dafür wiederum ist wesentlich, was ein Ereignis für uns bedeutet und ob sich diese Bedeutung im Laufe der Zeit wandelt. Fällt uns die Anpassung leicht, erfahren wir Eustress, eine Form von Stress, die relativ harmlos und unschädlich ist und unsere Fähigkeit zum Umgang mit der veränderten Lebenssituation nicht übermäßig beansprucht. Vielmehr kann er ausgesprochen positive Wirkungen auf Geist und Körper haben und sogar entwicklungsfördernd sein. Es ist aber andererseits auch nicht schwierig nachzuvollziehen, wie angesichts einer an sich positiven Lebensveränderung Eustress zu Disstress werden kann, wenn nämlich die Anpassung an die neuen Umstände nur schwer gelingt.
    Zum Beispiel hat sich ein Mensch jahrelang auf seinen Ruhestand gefreut und genießt es zunächst, endlich nicht mehr so früh aufstehen zu müssen, um zur Arbeit zu gehen. Doch dann stellt er nach einer Weile fest, dass er nicht weiß, was er mit seiner vielen Zeit anfangen soll. Er vermisst den Kontakt mit den Kollegen und das tragende Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, das Gefühl, gebraucht zu werden. Knüpft er keine neuen Kontakte und findet er keine neuen Wege, um seinem Leben Sinn zu geben, kann es vorkommen, dass er mit der Anpassung an diese bedeutsame Wende im Leben scheitert und diese nun zur Quelle von Stress wird, selbst wenn er diesen Zeitpunkt vorher kaum erwarten konnte.
    Auch die hohe Scheidungsrate in unserer Gesellschaft zeigt, wie sich anfängliches Glück in Leid und Unglück verwandeln kann. Dies ist vor

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