Gesunde Muskeln - Gesunder Körper

Drahtseilakt durch Alterungsprozesse allmählich immer schwieriger.
    Bei den meisten Menschen sind die Bandscheiben des unteren Rückens schon zwischen 20 und 30 Jahren der Hauptschwachpunkt im Knochengerüst. Die Bandscheiben gleichen zähen Gummiringen mit dickem Faserknorpel außen und Gel innen, die in der gesamten Wirbelsäule wie Stoßdämpfer zwischen den Wirbeln sitzen. (Beim Knie liegt dieser schützende Faserknorpel als Meniskus innerhalb des Gelenks.) Ab 40 beginnt das innere Gel auszutrocknen und zu schrumpfen. Dann wird der Knorpel im äußeren Bereich anfälliger für Risse oder »Vorfälle«, welche die umliegenden Nerven, Muskeln oder beides reizen können.
    Das Leben setzt den Bandscheiben mächtig zu (siehe Kästen auf Seite 247 und 248 zum Schutz des unteren Rückens). Darum wird wohl kaum jemand jenseits der 40 oder spätestens 50 Jahre voller Stolz sein MRT vom unteren Rücken präsentieren wollen. Andererseits ist noch immer unklar, weshalb manche Patienten ohne auffälligen Gelenkbefund über Rückenschmerzen klagen, aber auch weshalb bestimmte sichtbare Schäden drei Menschen keinerlei Probleme bereiten, während der vierte Todesqualen aussteht. Es dürfte Sie mittlerweile nicht mehr überraschen, dass wir den Muskeln hier eine Schlüsselposition zuweisen.

    Alarmstufe Rot
Sofort zum Arzt
    Jede Verletzung und jedes Trauma im Bereich der Wirbelsäule ist ernst zu nehmen, bis das Gegenteil bewiesen ist. Man muss eine Schädigung der Nerven oder der Strukturen an der Wirbelsäule – Wirbel, Rückenmark, Bänderapparat und Bandscheiben – ausschließen. Bei Taubheit, Gefühlsverlust oder fortschreitender Muskelschwäche in jedwedem Körperteil oder Veränderungen der Darm- oder Blasenfunktion brauchen Sie umgehend medizinischen Beistand. Wie bei jedem Gelenkproblem sind Anzeichen für eine Infektion (Rötung, Wärme, Fieber) ebenfalls Anlass für einen sofortigen Arztbesuch. Rückenschmerzen für sich allein sind weniger ernst, auch wenn sie sehr quälend sein können. Meistens legen sie sich nach ein bis zwei Wochen. Zur Schmerzlinderung können Sie einen Arzt, einen Chiropraktiker oder einen Physiotherapeuten hinzuziehen. Wenn die Schmerzen länger als ein bis zwei Wochen anhalten, sollten Sie das unbedingt tun.
    Die Bänder, die an der Hals- und Lendenwirbelsäule entlanglaufen, sind für die Stützfunktion noch wichtiger als die Muskeln.
Diese Bänder sind fest und werden – abgesehen von schweren Unfällen mit Trauma – nur selten ernsthaft verletzt, auch wenn sie bei der Diagnose eines Rückentraumas automatisch inbegriffen sind. Die Muskeln im Bereich des unteren Rückens hingegen ermüden leicht und stellen ihre Funktion ein, wenn das System aus dem Gleichgewicht gerät. Von zentraler Bedeutung sind dafür Körperhaltung und Arbeitsgewohnheiten. Problematisch ist insbesondere zu langes Verharren in einer Position, ob stehend oder sitzend, wenn Bindegewebe und Wirbelsäule dabei zudem noch ungleichmäßig der Schwerkraft ausgesetzt sind. Auch Stress kann eine Rolle spielen (siehe Kapitel 4), ebenso alle ungewöhnlichen Aktivitäten, die den Körper belasten: eine Sportart, auf die man nicht ausreichend vorbereitet ist, Koffer schleppen in den Ferien, schwere Kisten heben bei einem Umzug.
    Die gute Nachricht ist, dass Rückenschmerzen aufgrund überlasteter Muskulatur in der Regel nicht lange anhalten. Sie kommen und gehen, mitunter auf mysteriöse Weise. Noch besser ist (und das dürfte vielen neu sein), dass manuelle Muskeltherapie mit anschließender Krankengymnastik für eine breite Palette verschiedenster Rückenbeschwerden eine äußerst effektive Behandlungsform darstellt. Darüberhinaus ist die Kombination von manueller Therapie für die Muskeln und chiropraktischer Wirbelsäulenbehandlung eine wertvolle Option, weil Muskelprobleme oft Funktionsstörungen und Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule nach sich ziehen. Deshalb beschäftigen wir uns an dieser Stelle in erster Linie mit »normalen Rückenschmerzen«, nicht mit den weit selteneren Fällen, in denen eine strukturelle Schädigung operativ behoben werden muss.

    MUSKELMEDIZIN
Häufige Probleme und Übeltäter
    Der Rückenstrecker (Erector spinae) ist eine Bezeichnung für die längste Muskelgruppe des Körpers, die sich über die gesamte Länge des Rückens zieht. Wenn beide Seiten des Rückenstreckers zusammenarbeiten, ziehen sie die Wirbelsäule vom Hals bis zur Lendenregion auseinander, richten Kopf und Hals