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Gesundheit, Herr Doktor!

Gesundheit, Herr Doktor!

Titel: Gesundheit, Herr Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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wie die Kathedrale von Coventry. (Ja, das ist gut: wie die Kathedrale von Coventry.) Die frühere Kathedrale, natürlich. Nicht die neue, die, unter uns gesagt, eher wie ein Odeon aussieht. (Auch dies ist recht gut gegeben, nicht wahr?) Einigen von uns macht es viel Spaß, , wie es, glaube ich, bisweilen formuliert wird. Aber wenn darin besteht, mitternächtlich alte Damen an Straßenecken zu überfallen und auszurauben und Streiks auszurufen, wann immer man Lust dazu hat, dann fragt sich ein verantwortungsbewußtes Mitglied der Gesellschaft wie ich, was suchst du in diesem Schrank?» wollte er von seiner Frau wissen, die im Speisezimmer hantierte.
    «Einen Gin. Du kannst doch von mir nicht erwarten, daß ich die Preisverleihung an die Schwestern in nüchternem Zustand überstehe?» Sie hielt eine Flasche in die Höhe. «Das ist eine cuvée Maudling, glaube ich. Oder am Ende gar Selwyn Lloyd ? Ein selten guter Jahrgang. Übrigens möchte auch Faith einen Drink, nicht wahr, Liebling», fügte sie hinzu, als ihre Tochter in die Tür trat.
    «Ich mißbillige es, wenn junge Frauen alkoholische Getränke in sich hineinschütten wie Hogarths Waschweiber», erklärte der Vorstand voll von unerwarteter Milde. «Anderseits aber muß ich zugeben, daß ich herzliche Freude darüber empfinde, dich heute abend in unserer Mitte zu sehen, Faith. Ich glaube, dir wurde bis jetzt noch nicht die Erfahrung zuteil, mich in der Öffentlichkeit reden zu hören? Die Presse wird anwesend sein», hob er stolz hervor. «Ich behandle zum Glück einen jungen Journalisten mit einem nervösen Magen, und er hat sein Kommen zugesagt. Ich glaube zwar, daß er nur für die Klatschspalte schreibt, aber durch die Manipulationswunder der Massenmedien klingen sogar seine Worte zwischen Kakao- und Cornflakeswerbung recht beflügelt. Ich kann dir versichern, daß dir diese Preisverteilung unvergeßlich bleiben wird. Ißt du nachher zu Hause?»
    «Nein, Daddy. Ich muß mit jemandem vom St. Swithin sprechen. Über meine Obdachlosen. Wie du weißt, muß ich ja um zehn im Heim sein.»
    Der Vorstand zwinkerte. «Vielleicht wirst du von einem der noch freien Turnusärzte zum Abendessen eingeladen? Ich selbst habe so viele von ihnen, als es der Dienst zuläßt, aufgefordert, mir heute abend in der Gründerhalle zur Seite zu stehen. Mr. Havens und Mr. Raffles werden sicherlich anwesend sein. Sie bekommen in Bälde bessere Posten. »
    Als Josephine ihrer Tochter ein Glas reichte, bat er: «Vielleicht schenkst du mir auch einen Gin mit Tonic ein, meine Liebe. Selbst die größten Redner, wie Sir Winston Churchill, fühlten sich durch eine kleine Schmierung nur noch beschwingter. Lancelot wird natürlich nicht dabei sein», bemerkte er abfällig. «Sehr unhöflich von ihm, abzulehnen. Aber wahrscheinlich hätte er an den falschen Stellen gelacht, und das absichtlich. Die Oberin vom Bertie Bunn wird den Vorsitz führen, da die Oberin vom St. Swithin auf Urlaub in Marokko weilt. Marokko! Wir übersteuerten und überarbeiteten Fachärzte können uns kaum Minehead leisten. Würde ich mich nicht frühmorgens und spätabends und ganze Wochenenden lang mit unseren Privatpatienten im Bertie Bunn abschuften, um ein paar Extrapence dazuzuverdienen, wüßte ich nicht, wie wir durchkämen. Habe ich eigentlich noch Zeit, meine Rede noch einmal durchzugehen?»
    «Nein», antwortete seine Frau.
    Die drei traten in einen stillen, klaren, schönen Sommerabend hinaus; es war fast so warm wie zu Mittag. Der Vorstand wohnte in der Lazar Row, einem kurzen Gäßchen am Rande der Londoner City, das seinen wenigen, meist nächtlichen Bewohnern eine angenehme Bleibe bietet. Einst war das Pesthaus des St. Swithin dort gestanden; jetzt erhoben sich einige georgianische Rotziegelhäuschen an seiner Stelle, die den bevorzugteren Fachärzten als Wohnung dienten; und dem Institutsvorstand gelang es stets, sich unter diese einzuschmuggeln. Die günstige Lage und, noch mehr, die niedrige Miete seiner Behausung sagten ihm ungemein zu. Und da er einen — wenn auch nicht fehlerfreien — Hang zur Geschichte hatte, fand er Vergnügen daran, an den Abenden durch die Erkerfenster des Salons zu blicken und sich vorzustellen, wie die Schatten Mr. Pepys’ oder Dr. Johnsons oder Mr. Miltons auf ihrem Heimweg an ihm vorbeihuschten.
    Um die Ecke schoß der neue Turm des St. Swithin aus dem so reich mit Tradition gedüngten Boden empor. Noch immer trennte der

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