Gesundheit, Herr Doktor!
längst vergessenen Rede ausgraben werde. «Und wer entscheidet nun, was ein dringender Fall ist, und was nicht?»
«Die OHA, bester Robin.»
«Haben die Ärzte im St. Swithin nichts dagegen einzuwenden, daß die OHA medizinische Funktionen übernimmt?»
«In einem modernen Krankenhaus sind die Ärzte nicht in der Lage, Einwände zu erheben. Das beginnen sie jetzt allmählich zu begreifen.»
«Und Sie sind ehrlich davon überzeugt, Mr. Chipps, daß Sie persönlich in der Lage sind, der Ärzteschaft Anordnungen zu geben? Ärzten, deren Traditionen irgendwie gefestigter und deren Geschichte ein Gutteil länger ist als jene der OHA?»
«Ich bin ehrlich davon überzeugt, Robin.»
«Danke, Mr. Chipps.»
«Danke, Robin.»
«Schalten Sie diesen Unsinn auf der Stelle ab», forderte die Oberin des Bertram-Bunn-Traktes, die kurz nach sieben Uhr mit einer Platte Sandwiches in Brenda Bristols’ Zimmer erschienen war. «Vielleicht interessiert es Sie, zu erfahren, daß ich mit eigenen Händen fast tausend Sandwiches für die Patienten geschnitten und belegt habe.»
«Sie Schatz!» sagte Brenda Bristols und setzte sich in ihrem transparenten Nachthemdchen im Bett zurecht. «Ich hab einen Wolfshunger. Was soll das sein?»
«Schinken mit eingelegten Zwiebeln. Für raffiniertere Dinge haben wir jetzt keine Zeit. Was haben Sie noch immer hier zu suchen?» fragte sie Lord Hopcroft, der in seinem äußerst kurzen Nachthemd neben Brenda Bristols’ Bett saß.
«Ich wollte bezüglich meines Zustands Rat bei Miss Bristols einholen. Ihr Computer da drunten kommt jetzt, in meiner gegenwärtigen kritischen Situation, wirklich erst so recht zur Geltung. Der funktioniert drauflos, mag jetzt gestreikt werden oder nicht. Sein letzter Auswurf besagte, daß ich an Eklampsie leide.»
«Ausgeschlossen», erwiderte die Oberin kurz angebunden. «Das ist ein Leiden, das schwangere Frauen befällt.»
«Aber ich erklärte Ihnen doch schon, Oberin, als Sie mich im Badezimmer fanden, daß ich schwanger bin. Und laut Aussage des Computers von heute nachmittag befinde ich mich bereits knapp vor den Wehen. Er arbeitet rasch, der Blechtrottel.»
«Lord Hopcroft, ich hätte mir eigentlich gedacht, daß sich Ihr Sinn für Humor von jenem unserer Medizinstudenten in etwa unterscheiden sollte.»
«Aber ich mache doch keine Witze», klagte Seine Lordschaft. «Ich weise nur vorsichtig darauf hin, wie sehr sich ein Blechtrottel irren kann.»
«Der Computer irrt sich nie. Ausgeschlossen.»
«Könnte uns nicht auch ein Schluck französischer Champagner guttun, liebste Oberin?» fragte Brenda Bristols, die, von Zweifeln geplagt, ein Sandwich inspizierte. «Ich brauche ein bißchen Aufheiterung. »
«Das darf nicht sein. Der Streik zwingt uns alle, Opfer zu bringen. Sie müssen einige Stunden lang ohne Champagner auskommen. Ich habe mich sowieso für eine dringende Unterredung mit Sir Lancelot Spratt in meinem Büro verspätet.»
«Geben Sie ihm ein dickes Bussi von mir.»
«So etwas werde ich nie im Leben tun», erwiderte die Oberin eisig. «Sir Lancelot und ich unterhalten eine rein berufliche Beziehung, deren Ziel ausschließlich das Wohlbefinden unserer Patienten ist.»
«Und ich bekomme keine Schinkensandwiches?» fragte Lord Hopcroft.
«Fleisch ist bei Eklampsie verboten», sagte die Oberin im Hinausrauschen.
Sobald sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, warf die Oberin einen Blick auf die über ihrer linken Brust baumelnde Uhr. Sir Lancelot war sicherlich schon da. Doch hatte sie noch etwas Wichtiges auf ihrem Weg zum Büro zu erledigen. Sie glitt durch die nächste, mit «Damen» bezeichnete Tür. Während sie ihr Antlitz im Spiegel über dem Waschbecken prüfte, zog sie aus ihrer Uniformtasche eine Schachtel Make-up und legte dieses sorgfältig um ihre Augen auf. Eine solche Unverfrorenheit war eigentlich in Dienstkleidung undenkbar. Aber heute abend wollte sie einen gewaltigen Sturmangriff unternehmen, und schließlich behaupteten ja alle Leute, daß die Augen das Beste an ihr seien. Sie konnte nicht weiter Zusehen, wie Sir Lancelot sich dahintreiben ließ, während so gierige Raubvögel wie Brenda Bristols darauf lauerten, ihn zu vernaschen. Nachdem sie die Make-up-Schachtel wieder verstaut hatte, griff sie nach einem kleinen eloxierten Sprühfläschen, das hinter jedem Ohr betätigt wurde. Das Mädchen in der Boutique hatte versichert, daß diese Duftkombination auf Männer so unwiderstehlich wirkte wie Leberfilets auf einen
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