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Gesundheit, Herr Doktor!

Gesundheit, Herr Doktor!

Titel: Gesundheit, Herr Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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gegenübersehen, laufen sie wie Hühner in einem Wolkenbruch herum. Leiden Sie übrigens an innerer Austrocknung?»
    «Ich? Nicht daß ich wüßte», antwortete sie verblüfft.
    «Sie haben nämlich so garstige dunkle Ringe um die Augen, das ist alles. Wir Ärzte lebten in einer so gemütlichen Welt, bevor die Spitalsgewerkschaften erkannten, wie stark sie sind», resümierte er, «oder, wie ein Politiker es einmal formulierte: Es liegt ein meilenweiter Unterschied in Aussehen, Sympathie und Verständnis zwischen der engen und warmen, kleinen, auf sich bezogenen Welt eines Spitals und den eigenartigen, unvernünftigen und undankbaren Geschöpfen, die wir durch das Fenster draußen, auf der Straße beobachten können.»
    «Welcher Politiker hat das gesagt?»
    «Enoch Powell.»
    «Ach, der», winkte sie geringschätzig ab.
    «Er war einer unserer wenigen Gesundheitsminister, die ihren Posten nicht in erster Linie als Trittbrett für einen noch besseren ansahen. »
    «O Lancelot —» Sie schob sich noch näher heran. «Sie sind so belesen.»
    «Das kommt, wie bereits erwähnt, daher, daß ich als Witwer mehr Zeit zum Lesen im Bett finde.»
    Sie senkte ihre Stimme und lehnte den wogenden Busen an seinen Arm. «Aber ist Lesen im Bett nicht ein trostlos einsamer Zeitvertreib?»
    «In Gesellschaft der großen viktorianischen Romanciers und ihrer lebendig gezeichneten, unterhaltsamen Figuren kann man sich dabei kaum einsam nennen.»
    «Natürlich, Sie haben ja so recht...» Ihr Schenkel preßte sich an den seinen. «Auch ich lese Romane, wenn ich von meiner Tagesarbeit nicht allzusehr erschöpft bin. Vielleicht könnten wir... Sie und ich... beide mit Ihrem Lieblingsautor zu Bett gehen?»
    «Trollope?»
    «Was unterstehen Sie sich», kreischte sie und versetzte ihm einen so harten Klaps, daß ihm die Brille herunterfiel.
    «Er war ein Zeitgenosse von Dickens», erklärte er ihr mit müder Stimme und hob die Brille auf. «Wie geht es Miss Bristols? Morgen nachmittag möchte ich sie operieren, wenn ich diesen Streik abwenden kann. Ich gedenke auf mein Honorar einen nicht unerheblichen Betrag aufzuschlagen, wegen der enormen Publicity.»
    Er ließ die Oberin offenen Mundes und hochroten Gesichts stehen.
    «Kein ungeschickter Versuch», sagte er zu sich, als er durch die verlassene Eingangshalle schritt. «Augenschatten, Parfüm und noch so allerhand. Die Gute, Arme muß wirklich schon der Verzweiflung nahe sein. Gott sei Dank kann ich dieses außerordentliche Weibsbild von einer Bristols vorschützen.» Er blieb überrascht stehen, als er sich plötzlich Mr. Grout gegenüber fand. Es war Sir Lancelot nicht unbekannt, daß sich niemand vom Verwaltungsbüro nach siebzehn Uhr im Spital aufhielt, nicht einmal, um erkrankte Verwandte zu besuchen. Er bemerkte mit Interesse, daß der junge Beamte von einer schlanken Blondine in einem schicken Kleid und mit einer Frisur ä la Turban begleitet wurde.
    «Dies», erklärte ihr Mr. Grout, als zeige er auf ein berühmtes Nationalmonument, «ist der Chefchirurg, Sir Lancelot Spratt.»
    «Sehr erfreut, Sir Lancelot», sagte sie mit einem leichten deutschen Akzent, während sie ihm die schmalfingrige Hand bot.
    «Frau Dr. Langenbeck, Doktor der Philosophie, kommt aus Hamburg», erklärte Mr. Grout mit einer selbstzufriedenen Miene, die seinem Chef alle Ehre gemacht hätte. «Sie unterrichtet sich über die Verhältnisse in britischen Krankenhäusern und über das System des Volksgesundheitsdienstes.»
    «Entzückt, Madam.» Sir Lancelot verneigte sich leicht. «Haben Sie London schon früher einmal besucht?»
    «Nein, aber mein Vater tat das oft.»
    «Wo ist er abgestiegen?»
    «Nirgends. Er diente in der Luftwaffe.»
    «Sie müssen unser altes England geradezu lächerlich degeneriert finden», sagte Sir Lancelot zuvorkommend.
    «Ganz im Gegenteil. Äußerst leistungsfähig. Ihre Streiks sind wundervoll durchorganisiert und werden vorbildlich geführt. Keine deutsche Gewerkschaft könnte den Vergleich mit derart erfolgreichen Operationen wagen.»
    Sir Lancelot verbeugte sich abermals. «Ich höre Höflichkeiten leidenschaftlich gerne, vor allem, wenn sie wohlverdient sind.»
    «Ich möchte Ihren Mr. Chipps sehr gerne kennenlernen. Er scheint ein überaus intelligenter und tatkräftiger junger Mann zu sein. In Deutschland würde man ihn auf der Stelle zum Direktor ernennen, ob es sich nun um eine Fabrik oder um ein Krankenhaus wie das St. Swithin handelt.»
    «Leider sehen sich in unserem Land

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