Getäuscht - Thriller
der Wagen sich wieder in Bewegung. Kurz darauf jagten sie in hohem Tempo weiter über die Autobahn.
Kate kreuzte die Finger ihrer Hand.
Ransom war ganz in ihrer Nähe.
Sie hatte es todsicher im Gefühl.
51.
Das Hotel Rondo hatte dichtgemacht.
Jonathan stand vor dem Fenster neben der Eingangstür und starrte durch die Scheibe in die Lobby, in der er Emma vor acht Jahren zufällig mit dem fremden Mann gesehen hatte. Die rote englische Telefonzelle war verschwunden, genauso wie die Möbel und die Topfpflanzen. Sogar der Empfangstresen war herausgerissen worden. Das Hotel war nur noch eine Bruchbude.
Jonathan rüttelte trotzdem an den Eingangstüren und versuchte, sie zu öffnen. Sie waren verschlossen.
Enttäuscht machte er kehrt und ging die Straße wieder hinunter. Ein Café an der Ecke machte gerade auf. Er ging hinein und setzte sich an einen Tisch am Fenster. Als der Kellner kam, um die Bestellung aufzunehmen, zeigte Jonathan ihm ein Foto von sich und Emma und fragte ihn, ob er Emma vor ein paar Monaten hier gesehen habe. Der Kellner warf aus reiner Höflichkeit einen Blick auf das Foto und schüttelte dann bedauernd den Kopf.
»Ich hätte gerne einen Kaffee und ein Frühstück«, sagte Jonathan.
»Subito.«
Ein junger Aushilfskellner brachte kurz darauf das Frühstück. Jonathan legte das Foto auf den Tisch und betrachtete es gedankenverloren, während er den Kaffee trank. Das Foto war vor einem knappen halben Jahr in Arosa in der Schweiz am Tag vor der verhängnisvollen Skitour aufgenommen worden. Emma und er standen dicht beieinander auf einer Skipiste. Emma strahlte über das ganze Gesicht und hatte eine Hand auf seine Schulter gelegt. Egal, wie sehr Jonathan auch suchte, er konnte nichts Unechtes oder Unaufrichtiges an ihr entdecken. Behutsam strich er mit dem Finger über die Gestalt seiner Frau. Jener Frau, die in diesem Moment fest entschlossen war, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Zerstörung eines Passagierflugzeugs zu verhindern und somit den Ausbruch eines Krieges. Trotzdem wirkte sie so sorglos wie ein Teenager im Skiurlaub.
Jonathan wurde bewusst, dass sie ihm haushoch überlegen war. Er konnte Emma einfach nicht das Wasser reichen. Der Versuch, sie zu finden, war lächerlich. Und das Schlimmste war: Emma wusste es so gut wie er. Sie hatte es von Anfang an gewusst.
Er zerknüllte das Foto in der Faust. Genau an dieser Stelle würde er seine Suche nach ihr beenden. Es gab keinen Ort mehr, an den er jetzt noch gehen konnte. Keine Hinweise mehr auf ihren Aufenthaltsort, denen er nachgehen wollte. Keine Spur mehr von ihr. Emma hatte ihren Willen durchgesetzt. Sie war wie vom Erdboden verschluckt.
Jonathan zahlte und verließ das Café. Er blickte zum Himmel und überlegte, was er jetzt tun sollte. Zu Ärzte ohne Grenzen zurückzukehren kam nicht in Frage; das galt auch für seinen alten Arbeitsplatz im Flüchtlingscamp in Kenia. Ihm kam der Gedanke, dass er vielleicht nie wieder als Arzt würde arbeiten können. Vielleicht musste er sich einen neuen Beruf suchen. Aber was für einen? Und wo? Er zuckte mit den Schultern und wollte gerade loslaufen, als eine Stimme ihn zurückrief:
»Signore, per favore.«
Jonathan beschleunigte instinktiv seine Schritte.
»Signore!«
Jonathan drehte sich um und entdeckte den jungen Aushilfskellner aus dem Café, der ihm das Frühstück an den Tisch gebracht hatte. Er blieb stehen und sah den jungen Mann erwartungsvoll an.
»Es geht um die Frau, nach der Sie gefragt haben. Die signora mit den wunderschönen Haaren. Ich habe sie gesehen.«
Jonathan zog das Foto aus der Tasche und glättete es ein wenig. »Meinen Sie diese Frau?«, fragte er. »Irrtum ausgeschlossen?«
»Sie war hier. Im April. Sie hat jeden Morgen bei uns im Café gefrühstückt. Ich glaube, sie kam aus Deutschland, aber sie sprach sehr gut Italienisch.«
»Können Sie mir sagen, wie lange sie hier war?«
»Drei oder vier Tage.«
»War jemand bei ihr?«
»Nein, sie hat immer allein gefrühstückt. Sind Sie ihr Ehemann?«
»So ähnlich«, sagte Jonathan. »Ich muss sie unbedingt finden.«
»Haben Sie in ihrem Hotel nachgefragt? Sie hat im De La Ville übernachtet. Sie finden es ein paar Wohnblocks weiter die Straße hinauf.« Der junge Mann lächelte verlegen. »Einmal bin ich ihr gefolgt, nachdem sie das Café verlassen hatte. Ich wollte sie auf einen Drink einladen.« Er blickte verlegen zu Boden. »Ich habe mich nicht getraut, sie nach ihrem Namen zu
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