Getäuscht - Thriller
bringen mich in eine heikle Lage.«
»Wirklich?«
Dodd erwiderte nichts. Er betrachtete Kate schweigend und schüttelte den Kopf. Aus der Nähe betrachtet, konnte Kate die Falten um seine Augen herum sehen. Er wirkte auf sie plötzlich nicht mehr jünger als vierzig.
»Überrascht es Sie, wenn ich Ihnen sage, dass Lord Russell allem Anschein nach ermordet worden ist?«
Dodd wandte sich ab und ging zum Fenster. »Robbie wusste, auf was er sich eingelassen hatte.«
»Und was genau war das?«
»Das Spiel.«
»Welches Spiel?«
»Es gibt doch nur das eine, oder?« Dodd warf ihr einen Blick über die Schulter zu. »Würden Sie jetzt bitte gehen? Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
»Ich kann den Mörder Russells nicht finden, solange ich das Motiv für den Mord nicht kenne. Bitte, helfen Sie mir.« Kate hielt inne und betrachtete Dodd abschätzend. »Er war schließlich Ihr Schützling. Er hätte sicher gewollt, dass Sie uns bei der Suche nach seinem Mörder behilflich sind.«
Dodd dachte einen Moment nach und wandte dann den Blick von ihr ab. »Alfred Street Nummer 5«, sagte er. »Da finden Sie die Antwort. Aber rechnen Sie nicht damit, dass die Herrschaften offen mit Ihnen reden. Es ist eine Bande von Geheimniskrämern. Damit verdienen sie ihr Geld.«
»Was sind das für Leute? Über was für eine Einrichtung reden Sie?«
»Oxford Analytica.«
Kate durchforstete ihr Gedächtnis, war sich aber sicher, den Namen nie zuvor gehört zu haben. »Und was genau wird da gemacht?«
»Was Robbie am besten konnte.« Dodd betrachtete gedankenverloren den Tom Tower. »Sie machen Prognosen für die Zukunft.«
9.
Emma ist in London.
Jonathan kletterte aus dem Hotelfenster und sprang auf den Bürgersteig. Sie war hier. Sie wollte ihn treffen. Im Laufschritt lief er die Park Lane hinunter bis zur Piccadilly Arcade. Auf dem Bürgersteig tummelten sich Touristen und Einheimische, die es ähnlich eilig zu haben schienen wie er. Ich darf nicht so hetzen, dachte er. Sie beobachten mich.
Aber wer waren sie? Und wo?
Thomson hatte gesagt, zwei Leute hätten ihn auf dem Empfang nicht aus den Augen gelassen, doch Jonathan konnte sich nicht vorstellen, dass jemand ihm inmitten all dieser Fußgänger folgen konnte. Er verlangsamte seine Schritte und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Hin und wieder warf er einen Blick über die Schulter. Er konnte keine Verfolger entdecken.
Rechts sah er das U-Bahn-Schild der Station Hyde Park Corner. Er eilte die Treppen hinunter, löste eine One-Day-Travelcard, rannte zu den Bahnstationen und kümmerte sich nicht um neugierige Blicke. Er wollte den ersten Zug erwischen, der ihn zu Emma brachte. Den Schildern folgend, eilte er durch das geflieste Tunnellabyrinth bis zum richtigen Bahnsteig.
Mit ohrenbetäubendem Lärm donnerte der Zug in den Bahnhof. Jonathan stieg in den letzten Wagen und blieb an der Tür stehen. Er schwitzte trotz der eingeschalteten Klimaanlage, und sein wild pochendes Herz schien alle anderen Geräusche zu übertönen. Als die U-Bahn sich in Bewegung setzte, fragte er sich, warum er nicht glücklicher war. Seine letzte Begegnung mit Emma lag fünf Monate zurück. Sein Herz hätte vor Aufregung eigentlich Luftsprünge machen müssen. Emma hatte ihm schließlich gesagt, dass sie - und nur sie allein -, den richtigen Moment für ein Wiedersehen bestimmen würde. Doch anstatt sich zu freuen, verspürte Jonathan eine unbestimmte Angst. War es nur Zufall, dass Emma sich zum gleichen Zeitpunkt in London aufhielt wie er? Warum wollte sie sich überhaupt mit ihm treffen, wo sie doch wusste, dass er beschattet wurde?
Ihm wurde klar, dass er sich weniger um sich selbst sorgte, sondern Angst um sie hatte.
Am Piccadilly Circus stieg er von der Piccadilly Line in die nach Norden fahrende Bakerloo Line um. Die U-Bahn ließ nicht lange auf sich warten. An der Station Edgware Road stieg er aus und lief eilig durch das Gewirr langer Tunnelgänge. Vor der Rolltreppe, die nach oben führte, hatte sich eine Schlange gebildet. Jonathan stellte sich nicht an, sondern nahm die Treppe, sprang die Stufen hinauf und erreichte atemlos, aber innerlich ein wenig ruhiger die Straße.
In der Edgware Road reihten sich Billighotels und heruntergekommene Apartmenthäuser aneinander. Die Gegend wurde überwiegend von Touristen mit wenig Geld, frisch eingereisten Immigranten und heimlichen Liebespaaren bevölkert. Die Gentrifizierung, der bereits zahlreiche weniger ansehnliche Stadtteile Londons
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