Getäuscht - Thriller

schweigen von den unzähligen Mischas, die West End inzwischen bevölkern. Derzeit ist eine Delegation aus dem Kreml zu Besuch, aber sie sind heute bei der Navy in Greenwich. Ich glaube, sie haben im Augenblick nichts zu befürchten.«
    »Es handelt sich aber doch bestimmt um ein geheimes Treffen, oder?«, sagte Kate in Anspielung auf die Videobotschaft.
    »Eigentlich ist das Treffen eine hochoffizielle Angelegenheit. In der Delegation gibt es auch keinen Mischa. Nur ein paar Iwans, Wladimirs und Juris. Ach ja, und eine Swetlana.«
    »Was ist mit Victoria Bear?«
    »Wir haben den Namen durch unsere Computer gejagt, aber ohne Erfolg. Im Moment wird er gerade von den Jungs aus der Dechiffrierabteilung unter die Lupe genommen.«
    »Haben Sie eine Spur von der Frau? Von Russells Informantin? Ehrlich gesagt, mache ich mir Sorgen um sie. Wenn Russell umgebracht wurde, weil er zu viel wusste, könnte sie ebenfalls in Gefahr sein.«
    »Wir versuchen, sie zu finden. Aber das ist nicht so einfach. Unser System fängt nur ab, was auf Russells telefonischem Nachrichteneingang eingeht. Wer hinter den Nachrichten steckt, wissen wir deswegen aber noch lange nicht. Eine Nachricht bis zum Absender zurückzuverfolgen ist eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. Wir haben Sie ins Boot geholt, weil wir hoffen, dass Sie bei Ihren Ermittlungen auf irgendetwas gestoßen sind, das uns weiterhelfen könnte.«
    Kate hatte den Eindruck, dass Graves mehr wusste, als er preisgab. Es war kein Geheimnis, dass der MI 5 eine Reihe von Informanten bei der Metropolitan Police hatte. »Robert Russell wurde von einer Frau ermordet, die im Keller von One Hyde Park in einen alten Wäscheschacht geklettert ist und über diesen Weg bis ins Schrankzimmer von Russells Apartment gelangte. Danach hat sie das Alarmsystem ausgetrickst, Russell mit einer Flasche eisgekühltem Wodka bewusstlos geschlagen und ihn vom Balkon geworfen, damit es wie Selbstmord aussah. Die Mörderin kannte sich in Russells Apartment aus. Außerdem kannte sie die Alarmanlage bis ins kleinste Detail. Ich vermute, dass sie zu einem Team gehörte und dass ihre Partner Russell auf Schritt und Tritt beobachtet haben.«
    Graves beugte sich vor und stützte sich mit dem Ellenbogen auf dem Knie ab. »Woher wissen Sie, dass es eine Frau war?«
    Kate zog eine DVD mit den Aufzeichnungen der Überwachungskameras in One Hyde Park aus der Jacke. »Wir haben sie auf Band.«
    »Darf ich mal?«, fragte Graves und stand auf. Er nahm die DVD und gab sie einem Mitarbeiter, der sie in den Player legte. Kurz darauf erschien das Bild der Frau mit den rotbraunen Haaren, die Russell getötet hatte, auf dem Bildschirm.
    »Erwarten Sie nicht zu viel«, sagte Kate. »Sie hat sorgfältig darauf geachtet, nicht in die Kamera zu schauen.«
    »Ein Profi, wie schon vermutet.«
    In diesem Moment klopfte jemand laut und ungeduldig an die Tür.
    »Ja?«, rief Graves.
    Außer Atem kam Reg Cleak ins Zimmer. »Tut mir leid, dass ich zu spät komme«, sagte er und setzte sich neben Kate. »Ich war gerade eingenickt, als plötzlich ein riesiger Kerl durch die Hintertür kam. Er hat meine Frau fast zu Tode erschreckt.«
    Kate stellte die beiden Männer einander vor, doch Cleak hörte gar nicht richtig zu. »Ich habe soeben Nachricht von den Kollegen der Verkehrsüberwachung erhalten. Sie konnten uns keinen lückenlosen Bericht über Russells Aktivitäten nach seinem Aufbruch in Windsor liefern. Aber sie haben trotzdem gute Arbeit geleistet.«
    »Wohin ist Russell gefahren, nachdem er das Haus seiner Eltern verlassen hatte?«, fragte Kate.
    »Zu seinem Club in Sloane Square. Dort ist er ungefähr eine Stunde lang geblieben.«
    »Also bis ein Uhr morgens«, murmelte Kate. »Was hat er danach gemacht?«
    »Nur nichts überstürzen, Chefin. Jetzt wird's richtig interessant. Von seinem Club aus ist er in die Storey's Gate Road gefahren. Sein Wagen hat dort über eine Stunde am Straßenrand geparkt. Keine Ahnung, was der Mann da wollte.«
    »Storey's Gate? Das ist hier gleich um die Ecke.« Graves bat seinen Mitarbeiter, eine Karte von London aufzurufen. Kurz darauf erschien die gewünschte Karte auf dem interaktiven Display. Die gesuchte Straße war mit einem roten Kreis markiert. Storey's Gate war eine kurze, zweispurige Straße, die in Nord-Süd-Richtung verlief und zwischen dem St. James's Park und Westminster Abbey lag.
    »Seht ihr das auch?« Kate stand auf und ging zum Monitor.
    »Was?«, wollte Cleak wissen, doch Graves