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Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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sich nach Emma um. Der Fahrer wendete geschickt. Jonathan beobachtete, wie Emma in ein kastanienbraunes Taxi stieg.
    »Das Taxi vor uns«, sagte Jonathan. »Aber halten Sie Abstand.«
 
    Sie folgten Emmas Taxi ohne Schwierigkeiten bis zu einem Haus in der Nähe von Hampstead Heath, einer Wohngegend im Norden Londons. Dem Taxifahrer schienen Verfolgungen im Blut zu liegen. Er folgte Emmas Taxi in einem angemessenen Sicherheitsabstand, als hätte er nie etwas anderes getan. In einer Stadt, in der es fast so viele Taxis gab wie private Pkws, waren sie nahezu unsichtbar. Schließlich hielt das Taxi am Ende einer Reihe geparkter Autos. Jonathan beobachtete, wie Emma den Fahrer bezahlte und zu einem schmucken, ansehnlichen Haus ging. Sie verschwand durch eine Seitentür. Jonathan blickte auf die Uhr. Es war bereits nach zehn. Falls es tatsächlich einen Flug nach Dublin gab, hatte Emma ihn soeben verpasst.
    Während Jonathan im Taxi auf Emmas Rückkehr wartete, meldete sich sein schlechtes Gewissen. In gut einer Stunde sollte er im Hotel seinen Vortrag halten. Wenn er jetzt zurückfuhr und sich in Rekordzeit duschte und rasierte, konnte er es gerade noch rechtzeitig schaffen. Professor Thomson und seine Leute hatten keine Kosten und Mühen gescheut, ihn nach London zu holen und seinem Status entsprechend in einem Fünfsternehotel unterzubringen. Jonathan wollte diese Leute auf keinen Fall enttäuschen. Trotzdem konnte er sich nicht dazu durchringen, seine Verfolgungsjagd abzubrechen.
    In diesem Moment öffnete sich das Garagentor, und Jonathan vergaß auf einen Schlag seine Gewissensbisse. Er beugte sich vor und starrte auf die silbergraue BMW-Limousine, die aus der Garage glitt und langsam näher kam.
    »Schalten Sie Ihr Taxischild an«, sagte Jonathan zum Fahrer und legte sich auf die Rückbank.
    »Schon erledigt.«
    »Sitzt die Frau am Steuer?«, fragte Jonathan.
    »Ja.«
    »Worauf warten Sie? Folgen Sie ihr.«
 
    Nach genau dreißig Minuten hatten sie das Ziel ihrer Fahrt erreicht. Emma steuerte den BMW in südliche Richtung, vorbei an Hampstead Heath bis zur A5, einer langen, schnurgeraden Straße, die sie zurück zur Park Lane brachte. Sie fuhr langsam und viel vorsichtiger als sonst. Die Emma, die Jonathan kannte, war eine waghalsige Fahrerin, die nur zwei Geschwindigkeiten kannte: schnell und noch schneller. Die Frau am Steuer des BMW jedoch bremste, wenn die Ampeln umsprangen, anstatt zu beschleunigen, setzte jedes Mal artig den Blinker und wechselte fast nie die Fahrspur. Das konnte nur eins bedeuten: Die Agentin Emma, oder die Agentin mit dem ehemaligen Codenamen »Nachtigall«, durfte nicht riskieren, von der Polizei gestoppt zu werden.
    Am südlichen Ende der Park Lane lenkte Emma den Wagen auf die A302, bis sie die Victoria Street erreichte. Emma folgte der Straße ein gutes Stück, bis sie sich ungefähr auf der Höhe von Westminster Abbey befand. Dann bog sie links in die Storey's Gate, eine unscheinbare zweispurige Straße, die zu beiden Seiten von Reihenhäusern aus dem späten 19. Jahrhundert gesäumt wurde. Alle hatten fünf Stockwerke und eine identische graue Fassade und waren Teil des ehrgeizigen Projekts, die Gegend um Millbank durch aufwendige Sanierungsarbeiten aufzuwerten. Emma setzte den BMW in eine Parklücke, aus der soeben ein Wagen fuhr. Erst mit einiger Verzögerung fiel Jonathan auf, dass das wegfahrende Auto ein Vauxhall gewesen war - dieselbe Marke, die auch in der SMS an Emma erwähnt worden war. Im ersten Moment nahm Jonathan an, dass Emma bei der Parkplatzsuche einfach nur Glück gehabt hatte.
    »Und was jetzt?«, fragte der Taxifahrer, als sie den BMW aus einer Entfernung von etwa hundert Metern beobachteten. Emmas Gestalt war gerade noch zu erkennen. Sie saß regungslos wie eine Statue hinter dem Lenkrad.
    »Wir warten«, antwortete Jonathan.

16.
 
    Um kurz nach 7.00 Uhr morgens schloss Kate die Tür ihrer Wohnung auf. Als sie die Küche betrat, stieg ihr der Geruch von saurer Milch unangenehm in die Nase. »Verdammt«, murmelte sie und schaltete das Licht ein. Auf dem Küchentisch standen eine halbvolle Schale Müsli und ein Karton mit einem Viertelliter Milch. Als sie vor gut sechsundzwanzig Stunden überstürzt diese Wohnung verlassen hatte, hatte sie die Reste ihres Frühstücks achtlos stehen lassen. In der Eile, so schnell wie möglich zum Fundort der Leiche in One Hyde Park zu kommen, hatte sie alles andere vergessen.
    Nun riss sie die Fenster auf und fächelte sich die

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