Getäuscht - Thriller
Himmel. Aus seiner Stirn ragte ein zehn Zentimeter langer stählerner Bolzen.
Kate fiel auf die Knie und tastete an seinem Hals nach dem Puls. Es war aussichtslos.
Graves stand ganz in der Nähe mit dem Handy am Ohr und telefonierte scheinbar seelenruhig mit einem Kollegen, den er beauftragte, ein Team von Sprengstoffexperten zur Spurensicherung in die Victoria Street Nr. 1 zu schicken. Erst im Nachsatz hörte Kate ihn sagen: »Und schick Rettungswagen her.« Graves beendete das Gespräch und blickte erst zu Kate, dann zu Cleak. »Er ist tot. Sie müssen mir helfen, den Bereich um den Explosionsherd abzuriegeln.«
»Sie sind verletzt«, sagte Kate und zeigte auf seine Wange.
Graves betaste sein Gesicht und blickte fluchend auf seine blutigen Finger. Dann zog er ein Taschentuch hervor und drückte es auf die verletzte Wange. »Setzen Sie sich mit der Zentrale in Verbindung«, wies er Kate an. »Wir brauchen jeden Mann. Die Gegend hier muss umgehend geräumt werden.«
Als Kate sich aufrichtete, spürte sie, dass ihre Rippen ernsthaft verletzt waren. Vorsichtig öffnete sie die Jacke und sah, dass ihre Bluse blutverschmiert war. An einer Stelle entdeckte sie einen Riss und darunter eine hässliche Fleischwunde. Sie schaute sich ihre Jacke genauer an und entdeckte ein Loch, das von einem Bolzen oder Nagel stammen musste. Hätte der Nagel sie zwei Zentimeter weiter rechts erwischt, wäre sie jetzt wahrscheinlich tot.
Sie lehnte sich an die Wagentür und konnte den Blick nicht vom Bild der Zerstörung losreißen, das sich ihr darbot. Die Bombe war genau in dem Moment gezündet worden, als der dritte und letzte Mercedes vorbeigefahren war. Der Wagen war von der Druckwelle in die Luft gerissen und gegen die nächste Häuserwand geschleudert worden. Nun stand er wieder auf seinen vier Rädern, war aber völlig zusammengedrückt und brannte lichterloh. Keine zehn Meter davor lag der zweite Mercedes auf der Seite. Aus der zerstörten Windschutzscheibe hingen zwei schwer verletzte Personen. Auch dieser Wagen stand in Flammen, die wie Schlangen durch unzählige Löcher und Risse in der Karosserie schossen.
Es waren Nägel, dachte Kate, deren Wunde höllisch schmerzte, und blickte zu Cleaks leblosem Körper. Die Täter hatten den Wagen mit Nägeln und Bolzen vollgepackt und in eine tonnenschwere Splittergranate verwandelt.
Der erste Mercedes hatte einen Laternenpfahl gerammt. Kate sah, dass die Airbags aufgeblasen waren und dass sich im Inneren des Wagens jemand regte. Die hintere Wagentür öffnete sich. Ein Mann kroch heraus und fiel mit blutverschmiertem Gesicht und rauchender Kleidung auf die Straße.
Die beiden Suburbans, die die Vorhut gebildet hatten, lagen mit durchlöcherter Karosserie, zerplatzten Reifen und zerschmetterten Scheiben ganz in der Nähe. Die Türen waren aufgerissen, und massige, breitschultrige Männer taumelten heraus. Einige hielten kompakte Maschinenpistolen im Anschlag und stürmten auf den ersten Mercedes zu. Zwei der Bodyguards zogen einen weiteren Mann vom Rücksitz.
Graves rannte über die Kreuzung, an den Suburbans vorbei auf den ersten Mercedes zu. Er zwängte sich an den Bodyguards vorbei und rief ihnen seinen Namen und seine Dienststelle zu. Kate folgte ihm dichtauf.
»Wer saß in dem Konvoi?«, fragte Graves.
»Sie hatten es auf mich abgesehen«, stöhnte der blutende Mann. Er lag auf dem Bürgersteig und stützte sich auf einen Ellenbogen.
Graves kniete sich neben ihn. »Wie heißen Sie, Sir?«
»Iwanow ... Ich bin Innenminister Iwanow.«
Kate hatte den Mann noch nie gesehen, aber sie wusste natürlich, wen sie vor sich hatte: Iwanow gehörte zu den Männern, die Gerüchten zufolge Aussicht hatten, bei der nächsten Wahl zum russischen Präsidenten gewählt zu werden. »Bleiben Sie bitte still liegen«, sagte sie mit beruhigender Stimme. »Der Rettungswagen ist unterwegs.«
Iwanow sank auf den Bürgersteig zurück.
Heulende Sirenen durchbrachen die Stille. Innerhalb der nächsten dreißig Sekunden näherten sich aus allen Himmelsrichtungen fünf Rettungswagen dem Tatort. Graves stand auf und ging zum zweiten Mercedes. Aus dem Innenraum schossen Flammen hervor. Der Fahrer des Wagens saß angeschnallt auf dem Sitz. Bei der Explosion war ihm der Kopf abgerissen worden. Die beiden Männer, die durch die Windschutzscheibe geflogen waren, sowie ein dritter Mann, der zusammengesunken auf dem Rücksitz hockte, schienen ebenfalls tot zu sein. Das Feuer machte es unmöglich, an die
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