Getäuscht - Thriller
entwickelt. Die Fessel sendet ein Signal, mit dem wir Sie überall auf der Welt bis auf einen Meter genau lokalisieren können. Und wenn Sie versuchen sollten, sie gewaltsam abzunehmen, wird sie Ihnen das Bein brechen.«
Graves hatte bei diesen Worten gelacht, aber der Ausdruck in seinen Augen weckte in Jonathan Zweifel, ob es sich wirklich um einen Scherz gehandelt hatte.
Das Verhör hatte im Krankenhaus begonnen und war sogar noch fortgesetzt worden, als ein Arzt eine Röntgenaufnahme von seinem Schädel machte, um sicherzugehen, dass er sich bei der Explosion keine Fraktur oder Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Das Verhör war auch nicht unterbrochen worden, als er sich angezogen hatte, und dauerte jetzt noch an. Graves und Ford saßen vorne im Wagen und wechselten sich mit ihren Fragen ab. Wann genau war er zum Cocktailempfang gegangen? Zu welchem Zeitpunkt hatte der falsche Professor Thomson Kontakt mit ihm aufgenommen? Hatte Jonathan ihn vorher schon einmal getroffen? (Graves fügte rasch hinzu, dass damit die gesamte Zeitspanne gemeint war, in der er und Emma ein Paar waren.) Welchen Weg hatte Jonathan vom Dorchester bis zur U-Bahn-Station genommen? Wie lautete die Adresse der Wohnung auf der Edgware Road? Hatte er vor Emmas Auftauchen in der Wohnung jemanden bemerkt? Mit was für einem Auto hatte sie ihn zurück zum Hotel gebracht? Und vor allem: Hatte Jonathan irgendeine Idee, wer Emmas derzeitige Auftraggeber waren?
Jonathan antwortete so gut er konnte, doch je persönlicher die Fragen wurden, desto vorsichtiger wurde er. Wo war Emma aufgewachsen? Lebten ihre Eltern noch? Und wenn ja, wo? Wo war sie zur Schule gegangen? Hatte sie Freunde in London? Die Antwort auf solche und ähnliche Fragen wusste er selbst nicht so genau.
Bis zu den schicksalhaften Ereignissen vor fünf Monaten hatte Jonathan geglaubt, dass seine Frau in Penzance im südwestlichsten Zipfel Englands geboren worden und aufgewachsen war und ihren Abschluss in Oxford gemacht hatte. Sie hatte ihm erzählt, sie und ihre ältere Schwester Bea, die Jonathan sogar dreimal getroffen hatte, hätten eine glückliche Kindheit gehabt. Doch das alles war erstunken und erlogen gewesen. Ein Lügengeflecht. Ein Potemkinsches Leben.
Emma stammte nicht aus Penzance, sondern aus Hoboken in New Jersey. Ihr Vater war kein Lehrer gewesen, der bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen war, sondern Colonel der US-Luftwaffe, der mit fünfzig an einem Herzinfarkt gestorben war. Ihren lupenreinen englischen Akzent hatte sie in den acht Jahren erworben, als ihr Vater auf dem Luftwaffenstützpunkt Lakenheath in Suffolk stationiert war. Sie hatte drei Jahre am Long Beach State College in Kalifornien studiert, was im Hinblick auf Oxford so ziemlich am anderen Ende der Welt lag, sowohl geographisch als auch im übertragenen Sinne. Sie hieß nicht einmal Emma mit richtigem Namen, aber sie hatte sich entschlossen, den Namen zu behalten, weil sie für Jonathan immer nur Emma bleiben würde.
Trotzdem versuchte Jonathan, die Fragen so genau wie möglich zu beantworten. Er sagte den Beamten alles, was er wusste, auch wenn er sich sicher war, dass die Antworten nicht der Wahrheit entsprachen.
Während Jonathan scheinbar zur Zusammenarbeit bereit war, arbeitete sein Verstand auf Hochtouren. Er hegte keine Zweifel an Emmas Schicksal, falls er sie aufspüren würde: Der MI5 würde sie zunächst verhören und danach an Division (die sich hinter der CIA, dem DIA oder irgendeinem anderen bekannten Geheimdienst versteckten) aushändigen. Dort würde sie erneut verhört und schließlich eliminiert werden, mit anderen Worten: erschossen, gehängt oder - wie Graves es so treffend beschrieben hatte - »ertränkt, gevierteilt und den Krähen zum Fraß vorgeworfen«. Wenn Division es vorher schon auf Emmas Leben abgesehen hatte, waren sie nach dem Anschlag auf Iwanow bestimmt doppelt so wild darauf, sie zu beseitigen. In diesem Spiel gab es nur zwei Seiten. Wenn Emma nicht auf ihrer Seite war, hatte sie sich mit dem Feind verbündet.
Je näher sie dem Zentrum Londons kamen, desto vertrauter wurde die Aussicht. Sie passierten das Victoria and Albert Museum, fuhren an Harrod's vorbei und bogen schließlich auf die Park Lane ab.
Trotz der vielen Lügen, der Täuschungen und des Verwirrspiels wusste Jonathan, dass er Emma im Grunde seines Herzens immer noch liebte. Sie waren acht Jahre lang ein Paar gewesen. Er glaubte fest daran, dass die Frau, mit der er sein Leben
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