Geteilter Tod - Norman, H: Geteilter Tod - Caged
dafür genau das richtige Wort. Das wusste er nur zu gut.
»Wenn du Saul nicht anrufst«, sagte Mildred um zehn Uhr fünfunddreißig zu ihm, »werde ich es tun.«
»Du wirst nichts desgleichen tun«, erwiderte David.
»Und du kannst hier deine Böser-Alter-Mann-Nummer abziehen und mich anknurren und mit mir reden, wie es dir beliebt«, entgegnete Mildred, »aber Saul und Cathy haben das Recht, es zu erfahren. Außerdem wird es gut für dich sein, sie um dich zu haben.«
»Ich komme gut zurecht«, sagte er, »ich habe ja dich.«
Sie berührten einander nur selten - diese beiden »älteren Hausgenossen«, wie Mildred sie einmal Grace gegenüber genannt hatte -, aber jetzt kam Mildred und setzte sich neben den Doktor auf das ramponierte Sofa, das schon seit mehr als fünfunddreißig Jahren da stand, und legte den Arm um seine Schulter.
»Es tut mir leid, dass du so leidest«, sagte sie.
»Hör auf«, sagte David. »Fang damit bitte gar nicht erst an.«
»Ruf Saul an«, sagte Mildred. »Wenn er es auf andere Weise erfährt, wird er wütend, und es wird ihn verletzen.«
Also machte David den Anruf.
»Ich will nicht, dass du in Panik gerätst«, begann er das Gespräch.
»Was ist denn passiert, Dad?«
David informierte ihn und hörte, wie sein Sohn um Fassung rang.
»Hast du gestern Abend mit ihnen gesprochen?«, fragte er.
»Nein«, antwortete Saul, »aber Cathy ist bei ihnen gewesen.«
Er erzählte seinem Vater von dem Abendessen, das Dooley und Simone für Sam und Grace zubereitet hatten, und wie nett sie gewesen waren, als Cathy ihnen über das miese Ende der Kreuzfahrt berichtet hatte und darüber, wie erschöpft ihre Eltern waren.
In diesem Moment erinnerte David sich an etwas.
An etwas, was Sam ihm über die Morde erzählt hatte.
»Dad? Sag mir, was du denkst.«
»Ich muss mit Cathy reden«, antwortete David.
»Sie ist nicht hier«, erwiderte Saul.
Panik erfasste David. »Hast du sie heute Morgen schon gesehen?«
»Ja, ganz kurz«, antwortete Saul. »Es ging ihr gut. Du brauchst dir um sie keine Sorgen zu machen. Sie ist eine Runde joggen gegangen.«
»Sie ist nicht zur Arbeit gegangen?«
Mildred hatte das Zimmer verlassen, aber jetzt stand sie auf einmal wieder im Türrahmen, denn der Ausdruck auf Davids Gesicht und die Intensität seines Blickes beunruhigten sie.
»Nein«, antwortete Saul, »aber sie hat gesagt, sie würde kurz im Café vorbeigehen, um den beiden für alles zu danken, was sie gestern Abend getan haben.«
»Gütiger Gott«, sagte David.
»Was ...?« Saul stockte.
»Okay«, meinte David. »Junge, ich will, dass du bleibst, wo du bist, und dass du Cathy anrufst und ihr sagst, dass sie nicht ins Café gehen darf.«
»Wieso denn nicht?« Saul war verwirrt.
»Sag ihr einfach, dass sie sich von diesen Leuten fernhalten muss.« David war mit einem Mal hellwach und wusste genau, was zu tun war. »Ich muss einen Anruf tätigen. Du bleibst in deiner Wohnung und versuchst, Cathy zu erreichen. Sag ihr, sie soll sich auf der Stelle mit Sergeant Alvarez auf dem Revier in Verbindung setzen.«
Mit zitternden Händen beendete er das Gespräch mit seinem Sohn und machte sich sofort an den nächsten Anruf. Dabei blickte er kurz hinüber zu Mildred und war dankbar, dass sie schwieg, dass sie begriff, dass er jetzt erst einmal handeln musste. Schlappmachen konnte er immer noch hinterher.
Alvarez nahm den Anruf entgegen, hörte aufmerksam zu und ließ Davids Worte auf sich wirken.
»O Gott«, sagte er nach einer Weile leise.
»Sie vermuten, dass ich recht habe, nicht wahr?«
»Ich fürchte ja«, gab Alvarez zu. »Sie haben gesagt, dass Saul versucht, Cathy zu erreichen?«
»In diesem Moment.«
»Bleiben Sie bitte dran.«
David wartete.
»In Ordnung, Dr. Becket.« Alvarez war wieder am anderen Ende der Leitung. »Ich habe Cathy bereits am Apparat. Sie ist okay, und wir lassen sie hierher aufs Revier bringen.«
»Gott sei Dank«, stieß David erleichtert hervor.
Und dann erinnerte er sich, dass Sam und Grace immer noch vermisst wurden.
106
»Meine Güte, Sam«, hauchte Grace. »Sieh mal an die Wand.«
Er folgte ihrem Blick und schaute auf die Wand zu ihrer Linken, der Wand mit der Blende.
Einen Moment ließ er den Anblick auf sich wirken und sagte dann mit ausdrucksloser Miene und trockenem Humor:
»Na, wer hätte das gedacht? Abendessen und Kino.«
»Das sind wir im Café, nicht wahr?«, flüsterte Grace.
Sie wusste es, weil sie die Bluse trug, die sie bisher nur ein
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