Geteilter Tod - Norman, H: Geteilter Tod - Caged
am meisten Angst machten, war: Wenn es keinen besonderen Grund dafür gab, dass die Eastermans die Opfer eines so abscheulichen Verbrechens geworden waren, planten der oder die Täter möglicherweise, es noch einmal zu tun.
Der Computer hatte noch nichts ausgespuckt, was darauf schließen ließ, dass noch niemals zuvor ein solches Verbrechen begangen worden war, weder im Süden Floridas noch sonst irgendwo in den USA.
Aber jeder Killer musste ja irgendwo den Anfang machen.
24
Elizabeth hatte eine Weile geschlafen - eine winzige Auszeit, eine kurze Flucht.
Jetzt war sie wieder wach, und ihr war kalt, und André rührte sich immer noch nicht. Aber zumindest war sie sicher, dass er noch am Leben war, denn seine Schultern hatten sich ganz leicht bewegt, und sie hatte hören können, wie er atmete. Irgendetwas lenkte sie ab. Etwas anderes.
Etwas bewegte sich. Nicht bei ihnen im Käfig, sondern ... Schatten bewegten sich an der Wand zu ihrer Linken. Schlagartig war sie hellwach.
Schemenhafte Gestalten in einem Schwarzweißfilm.
Einem Stummfilm.
Mit nur zwei Darstellern.
Sie und André.
25
Sam und Martinez waren im Milton Zuckerman Home, einem exklusiven Pflegeheim auf dem Biscayne Boulevard, um sich mit Mrs. Marilyn Myerson zu unterhalten.
Sie hatten Larry Beattys Unterlagen zwar gesehen, zu denen auch der Befund eines Psychiaters gehörte, der die Alzheimerdiagnose bestätigte, aber sie mussten sich selbst ein Bild machen.
Beatty hatte behauptet, bei Mrs. Myerson habe die Demenz ein fortgeschrittenes Stadium erreicht - und was das anging, hatte er die Wahrheit gesagt.
Es bestand keine Hoffnung, dass die arme Frau ihnen irgendwie weiterhalf.
»Ich weiß, dass wir im Dienst sind«, seufzte Martinez, als sie das Heim verließen und hinaustraten in den warmen Sonnenschein, »aber ich könnte jetzt einen Drink gebrauchen.«
»Ich auch«, sagte Sam. Obwohl sie beide in ihrem Job ein dickes Fell gegenüber dem Leid anderer Menschen entwickelt hatten, war es bisweilen schwer zu ertragen.
»Wie wär's, wenn du mir jetzt mal von gestern Abend erzählst«, schlug Sam vor, als sie später wieder im Chevy saßen.
»Das habe ich doch schon. Sie hat Ja gesagt.«
»Ist es so gelaufen, wie du es geplant hattest?«
»Nein«, gestand Martinez. »Ich dachte sogar, ich hätte es in den Sand gesetzt.«
»Offensichtlich nicht«, meinte Sam.
»Nein. Am Ende habe ich sie in dieser verdammten Karre hier gefragt. Sie hat genau da gesessen, wo du jetzt sitzt. Ist das zu fassen?«
»Hattet ihr wenigstens einen schönen Blick auf die Bucht?«
»Wir waren auf dem Parkplatz«, erklärte Martinez.
»Warum denn das?«
»In der Not frisst der Teufel Fliegen.«
»Und sie hat trotzdem Ja gesagt?« Sam lächelte. »Dann muss sie dich wirklich lieben.«
»Zum Glück«, antwortete Martinez. »Ich wusste, wenn ich gewartet hätte, bis wir zu Hause waren, hätte ich wieder die Nerven verloren.« Er grinste. »Mann, ich werde diesen Parkplatz für den Rest meines Lebens lieben.«
Er ließ den Motor an.
Das Elend der alten Dame, der einst die Villa und die Kunstgalerie auf der Collins Avenue gehört hatten, verblasste ein wenig, obwohl Sam sich fragte, ob überhaupt noch jemand Mrs. Myerson besuchte und ob sie es in ihrem Zustand noch mitbekam.
26
Vor der Wand auf der linken Seite des Käfigs hing eine Art Leinwand, die Elizabeth erst auffiel, als der »Spielfilm« anfing, obwohl die Leinwand wahrscheinlich schon die ganze Zeit dort gehangen hatte.
Sie fragte sich, wie spät es war, denn sie hatte nicht die geringste Vorstellung, und ihr war so kalt, und André musste jetzt unbedingt aufwachen, denn er musste sie in die Arme nehmen ...
Der Spielfilm lief immer noch ohne Ton, obwohl sie ein leises elektronisches Surren hören konnte.
Wenn es ein echter Spielfilm gewesen wäre, hätte niemand Geld dafür gezahlt, ihn sich anzusehen, so viel war sicher.
Es war Bildmaterial, das Elizabeth und André dabei zeigte, wie sie zusammensaßen und redeten.
Redeten und redeten, ohne Ende.
Es war unmöglich zu erkennen, wo sie gewesen waren, als man sie gefilmt hatte - genauer gesagt, bespitzelt hatte -, weil es Großaufnahmen waren. Je länger Elizabeth darauf starrte, umso deutlicher wurde ihr, dass es eine Reihe kurzer Sequenzen war, die man zusammengeschnitten hatte. Ihre Kleidung - oder was sie davon sehen konnte - half ihr auch nicht, Datum oder Ort zu bestimmen, weil sie auf allen Bildern eine der weißen Baumwollblusen anhatte, die
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