Geteiltes Geheimnis
mir Cassie ihr Handgelenk. »Es wurde … mir geschenkt.«
»So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen. Wer es Ihnen auch geschenkt haben mag, er hat eine hohe Meinung von Ihnen.«
»Wahrscheinlich haben Sie recht«, antwortete sie. »Aber passt es zu diesem Kleid?«
»Hmm, nicht wirklich. Es erdrückt es. Warum probieren Sie nicht das hier an?« Ich tauschte ihr Armband gegen den einfachen Armreif aus. Als sie es in meine Handfläche gleiten ließ, fühlte es sich schwer an, angenehm; ich musste mich ziemlich beherrschen, um es nicht an mein eigenes Handgelenk anzulegen.
»Keine Kette?«, fragte sie und ließ den Armreif über ihr nacktes Handgelenk gleiten.
»Nicht mit einem Trägerkleid«, sagte ich entschieden. Meine Aufmerksamkeit galt immer noch dem Armband in meiner Hand. »Diese Kreolen sorgen für den notwendigen Glanz. Aber ich würde mir das Haar seitlich hochstecken.«
Sie nahm mir die Ohrringe aus der anderen Hand und hielt sie an die Ohrläppchen.
»Sehen Sie? Perfekt!«, sagte ich.
»Sie haben recht. Das ist perfekt. Bitte packen Sie mir die Sachen ein.« Sie gab mir die Ohrringe und streckte die Hand aus. Ich zögerte fast, ihr das Armband zurückzugeben. Es war ein seltsames Gefühl.
»Ich werde Ihnen sagen, wie ich dazu gekommen bin«, sagte sie, als sie mein Zögern bemerkte. »Tatsächlich … um ehrlich zu sein, ist das sogar der Grund, warum ich hier bin. Kann ich mich einen Augenblick lang setzen?« Sie holte tief Luft und sah genauso nervös aus, wie ich beunruhigt war. Was sollte das alles? »Das, was ich Ihnen jetzt erzählen werde, ist sehr seltsam, also haben Sie etwas Geduld mit mir. Es geht um eine Art Abenteuer.«
Eine Woge der Erregung erfasste mich. »Ich würde gern häufiger verreisen, aber ich fliege nicht«, sagte ich vorsorglich. »Außerdem bin ich die einzige Besitzerin des Geschäfts, kann also ohnehin nicht lange wegbleiben …«
»Ich spreche nicht von einer Reise. Obwohl das vielleicht auch dazugehört.« Ihre Stimme wurde immer entschiedener. »Vielleicht würde es helfen«, fügte sie hinzu, »wenn ich Ihnen von meinen eigenen Abenteuern berichte.«
Und sie begann, mir von ihrem Leben zu erzählen. Wie der Tod ihres Mannes vor fast fünf Jahren sie vollkommen aus der Bahn geworfen hatte. Nicht weil sie ihren Mann so sehr geliebt hatte, sondern weil sie erkennen musste, dass sie das schon seit Langem nicht mehr getan hatte – was sie noch trauriger machte. Jahrelang war sie innerlich tot gewesen. Ich sagte ihr, dass ich dieses Gefühl gut kennen würde.
»Ja. Matilda spricht von einer ›Aura der Traurigkeit‹, die die Menschen umgibt. Sie behauptet, dass sie die Aura sogar sehen kann. Und sie entdeckte etwas davon auch in Ihnen. Ich besitze diese Fähigkeit nicht, aber ich glaube schon, dass Sie das Gefühl festzusitzen gut kennen.«
Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll – aber plötzlich war es ganz leicht, Cassie mein Herz auszuschütten. Vielleicht war es ihre stille Art, ihre mitfühlenden Augen. Unversehens berichtete ich ihr von Lukes Betrug, von seinem Buch, davon, wie er und Charlotte mir das Herz gebrochen hatten, wie schwer es für mich seitdem war, nicht nur Männern, sondern auch Frauen zu vertrauen. Sie hörte mir geduldig zu, und ich wusste, ohne dass sie es aussprach, dass sie mich verstand.
»Also, sagen Sie mir, weshalb Sie wirklich hier sind«, sagte ich schließlich.
»Ich möchte Ihnen ein Angebot machen. Aber wenn Sie es akzeptieren, müssen Sie nicht nur Männern, sondern auch einer größeren Gruppe von Frauen Ihr Vertrauen schenken.«
Und dann nannte sie den Namen – S.E.C.R.E.T. – und beschrieb die unglaubliche Aufgabe der Organisation: sexuelle Fantasien zu realisieren und zu koordinieren, die Frauen dazu verhalfen, sich wieder oder – in manchen Fällen – zum ersten Mal in ihrem Leben großartig in ihrer eigenen Haut zu fühlen.
» S.E.C.R.E.T. «, sagte sie, »machte mich mit einem Teil meiner selbst vertraut, den ich zuvor nicht kannte. In Ihrem Fall geht es vielleicht mehr darum, etwas in Ihnen wieder zum Leben zu erwecken, das einfach nur schläft. Habe ich recht?«
»Ja, seit etwa acht Jahren«, antwortete ich.
»Oh, das ist eine lange Zeit. Ich hatte seit fünf Jahren keinen Sex und hielt das schon für furchtbar!«
»Was! Nein! Nein nein nein nein. Ich hatte durchaus Sex, nur keinen guten, und nicht mit allzu guten Männern. Ich meinte, es ist acht Jahre her, dass ich wahre Leidenschaft empfunden
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