Geteiltes Geheimnis
verwurzelten Hindernisse, die es zu überwinden galt. Auch die soziale Konditionierung stellte kein Hindernis dar. Mein Angebot veranlasste ihn nicht, seine Rolle als Mann oder seine Sexualität infrage zu stellen. Als ich ihm die Möglichkeit für mehr Sex, interessanten Sex, viel Sex vor Augen führte, klatschte er nur gut gelaunt in die Hände und rief: »Du hast meine Aufmerksamkeit, Cassie Robichaud. Meine volle Aufmerksamkeit.«
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Matilda war allerdings nicht ganz so leicht zu überzeugen. »Er muss ein strenges Prüfverfahren über sich ergehen lassen, Cassie. Und zwar auf medizinischer, psychologischer und physischer Ebene …«
»Er wird bestehen«, sagte ich und knibbelte das Etikett von meiner Bierflasche.
»Das ist ein Zeichen für sexuelle Frustration«, kommentierte sie meine Unruhe sachlich.
»Meine Bitte ist es ebenfalls, glaub mir.«
An unserem üblichen Treffpunkt, dem Tracy’s, war für einen Freitagnachmittag nur wenig los. Auch im Café hatt e heute ziemliche Flaute geherrscht. Tracina war froh darüber gewesen, denn ihre Schwangerschaft war nun so weit fortgeschritten, dass die Leute sich nicht wirklich wohlfühlten, wenn sie von ihr bedient wurden. Obwohl es noch eine ganze Weile bis zum Geburtstermin hin war, sah sie bereits so aus, als könnte das Kind jeden Augenblick auf die Welt kommen. Es war nur noch eine Frage von wenigen Wochen, bis sie ganz ausfiel.
Will hatte schon eine Anzeige geschaltet, um eine Nachfolgerin zu suchen. Aber dann hatte sein Bruder Jackson aus Slidell gefragt, ob er seine älteste Tochter Claire nicht einstellen konnte – eine skurrile Siebzehnjährige mit Dreadlocks, die die Highschool am New Orleans Centre for Creative Arts absolvieren wollte. Der Campus lag ganz in der Nähe des Cafés. Sie versprach, zwischen Piercings und Poesie zwei Abende die Woche und an den Wochenenden zu arbeiten und im Sommer zusätzliche Schichten zu übernehmen. Will zögerte zunächst, seine widerspenstige Nichte bei sich wohnen zu lassen. Doch dann führte ihm Tracina vor Augen, wie praktisch es wäre, eine Babysitterin im Haus zu haben. Also konnte Claire sofort anfangen. Sie führte sich sofort super ein, indem sie Dell verärgerte und nur im Weg herumstand.
Matilda war immer noch nicht mit der Auflistung der zahllosen Vorsichtsmaßnahmen fertig. » Falls Mark tat sächlich sämtliche Tests besteht, muss er immer noch ausgebildet werden, Cassie. Und die anderen Frauen müssen ebenfalls zustimmen. Die Entscheidung muss einstimmig sein.«
»Es werden ihn alle attraktiv finden. Und Dauphine hat eine Schwäche für Musiker.«
»Und dann wäre da noch die Sache mit dir und Jesse. Er könnte dich abweisen, weißt du. Ich meine, er hat immer noch einen Durchgang bei S.E.C.R.E.T. gut, und vielleicht will er diese Gelegenheit genießen. Kommst du mit einer möglichen Zurückweisung klar?«
»Ja sicher. Natürlich.« Ich zuckte die Achseln und trank einen Schluck Bier. Ich log. S.E.C.R.E.T. hatte mir viel geschenkt, aber die Fähigkeit, einen Laufpass einzustecken, gehörte nicht dazu. Denn man konnte bei S.E.C.R.E.T. nicht zurückgewiesen werden, nur selbst abweisen. Natürlich konnte Jesse mir einen Korb geben. Was sollte ihn daran hindern? Was hatte ich ihm schon zu bieten? Ein einfaches Date mit mir, einer Frau, mit der er im Rahmen eines Fantasie-Szenarios einmal geschlafen hatte. Und zwar vor mehr als einem Jahr. Eine, die sich gesperrt hatte, als sich ihr die Möglichkeit zu mehr bot. Dagegen stand das Abenteuer einer neuen Fantasie, einer anderen Frau, deren Haut er spüren konnte. Würden die meisten Männer, die vor dieser Wahl standen, nicht das Neue wählen? Würde ich mich nicht ebenfalls so entscheiden? Nein, eigentlich nicht. Ich hatte dieses Neue mit Mark, und mehr als das mit Will. Mark wollte ich, Will konnte ich nicht haben. Also blieb nur Jesse.
»Ich treffe mich morgen mit Jesse«, sagte Matilda. »Wenn er zustimmt, hörst du von ihm. Wenn er Nein sagt, dann eben nicht. Auf jeden Fall werden wir ihn vorerst von Dauphines Liste streichen, damit zwischen dir und Dauphine keine Spannungen auftreten. Diese Beziehung is t heilig. Und von unserer Unterhaltung jetzt sollte sie nichts erfahren, egal, was geschieht.« Matilda machte eine bedeutungsvolle Pause. »Oh«, fügte sie nach ein paar Sekunden hinzu, »übrigens hat Dominic bestanden. Er ist ab sofort ein neues Mitglied.«
»Der Fußballspieler?«
»Er ist eigentlich Bauunternehmer. Er hat die
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