Geteiltes Geheimnis
Brokatkleid mit Dreiviertelarm, sodass mein Armband besser zur Geltung kam. Ich hatte dieses Kleid in einem Geschäft in San Telmo aufgestöbert. Es war ein wunderschönes, passgenaues Cocktailkleid, das genau über dem Knie aufhörte – eine recht konservative Länge, wenn man bedachte, wie eng es ansonsten anlag.
Als ich sah, wie der Fahrer mich begutachtete, während er durch die Hotellobby selbstbewusst auf mich zuschritt, wusste ich, dass das Kleid jeden Penny wert gewesen war. Seine eigene Uniform hingegen passte nicht so ganz, der Hut war zu groß, die Ärmel zu kurz. Er hatte einfach nicht das Aussehen eines Mannes, der den ganzen Tag hinter dem Steuer einer Limousine saß – was als Kompliment gemeint ist.
»Lo siento, Señora Dauphine«, sagte er, um sich für seine Verspätung zu entschuldigen. Dann streckte er mir die sehnige, unbehandschuhte Hand entgegen.
Als ich sie ergriff, durchfuhr mich ein Stromstoß. Ernesto hatte eine Art jungenhaften Charme besessen, aber dieser neue Fahrer war die reine Männlichkeit. Dennoch ging zum zweiten Mal die Alarmglocke in meinem Kopf, als er mir auf den Rücksitz half.
»A donde vamos?«, fragte er. »Wohin soll’s gehen?«
Wenn er von S.E.C.R.E.T. geschickt worden war, hätte er die Adresse doch gewusst! Matilda hatte mir gesagt, dass die Auktion streng geheim war, und nur ein paar wohlhabende Leute den Veranstaltungsort kannten. Die Betreffenden waren telefonisch informiert worden, nicht durch eine offizielle Einladung, um nicht die Aufmerksamkeit der Presse zu erregen.
Im Rückspiegel sah ich seine lächelnden, grünen Augen. Er gehörte zu den Männern, die wussten, dass sie auf Frauen wirkten.
»Vamos al Teatro Colón, por supuesto«, sagte ich, um ihn zu dem historischen Theater in der Innenstadt zu lotsen. Ich konnte nicht verhindern, dass sein Aussehen mich bezauberte. Du bist so oberflächlich , Dauphine , schalt ich mich und lehnte mich in meinem Sitz zurück.
Die Alarmglocken schlugen eigentlich ununterbrochen auf der langen Fahrt zum Theater, weil er an jeder Straßenkreuzung das Navi konsultierte und ständig den Rückspiegel neu einstellte. Doch als wir vorm Teatro Colón auftauchten – ein Gebäude, das fast die gesamte Straßenlänge einnimmt und aussieht wie eine marmorfarbene Buttercreme-Hochzeitstorte –, wurden meine Zweifel von der Angst vor der Auktion abgelöst.
Ein Diener im Smoking stand am Bordstein und hieß mich willkommen. Er ignorierte meinen Fahrer, als er die Tür öffnete und mir hinaushalf.
»Wow«, sagte ich und klang damit wie die krasseste Klischee-Amerikanerin, die man sich denken kann.
»Miss Mason, wie schön, Sie kennenzulernen. Und es tut mir leid, wenn Sie … Schwierigkeiten hatten, das Teatro Colón zu finden.« Er warf meinem Fahrer einen Blick zu. »Quíen es usted?«
»Dante«, antwortete mein Fahrer.
Der Mann, der mich begrüßt hatte, atmete hörbar aus und wandte sich auf dem Absatz um. Dante und ich folgten ihm durch die Touristenmenge, die vor dem Theater Fotos schoss. Wir eilten an den Marmorstatuen im goldenen Foyer vorbei, wo andere Fahrer sich versammelt hatten, um dort zu warten. Die Decke über uns war aus buntem Glas. Überall hingen Schilder, auf denen Evento Privado zu lesen war. Der Diener öffnete die geschnitzten, vergoldeten Türen, und wir betraten das dunkle Theater.
Das Teatro Colón war ein faszinierendes Spektakel aus reich geschmückten Balkonen, die die langen, geschwungenen Reihen aus üppigen, roten Samtsitzen säumten. Ein Dutzend der vorderen Reihen waren mit aufgeregten Auktionsteilnehmern gefüllt, die offenbar nur auf uns gewartet hatten. Glücklicherweise waren wir nicht die Letzten. Kurz bevor ich mich hinsetzte, stieg eine große Blondine in einem maßgeschneiderten blauen Business-Kostüm die Treppe hinab und nahm auf einem der letzten freien Stühle am Tisch der Kaufagenten Platz. Auf den Tischen standen ein paar Telefone. Matilda hatte mir erklärt, dass Kaufinteressierte auf der ganzen Welt telefonisch mitbieten würden. Die Telefone waren durch ihre Bankiers vor Ort besetzt.
Bleib cool, Dauphine. Du bist nur hier, um ein paar Papiere zu unterzeichnen . Nervös tätschelte ich meinen Haarknoten und war froh, nur kleine Absätze zu dem engen Kleid zu tragen. Der für mich bestimmte Sitz in der letzten Reihe bot den besten Ausblick auf die Auktion. Ich lehnte mich zurück und betrachtete die sepiafarbenen Fresken, die einen Kronleuchter, groß wie die Sonne,
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