Geteiltes Geheimnis
dem Intermezzo mit Pierre Castille in ein dunkles, beängstigendes Erlebnis verwandelt. Wieder daheim zu sein, erdete mich, gab mir Sicherheit. Nun wusste ich, dass es stimmte, was man sich über das Heimweh der Südstaatler berichtete: Es gibt kein traurigeres Schicksal.
Nachdem ich meine Pflanzen gegossen hatte, nahm ich ein Bad und wusch mir den Stress des Rückfluges ab (die Turbulenzen waren deutlich heftiger gewesen, und es gab keinen Captain Nathan, der mich »tröstete«), ebenso wie die Erfahrung am Zoll, wo die Beamten erheblich neugieriger gewesen waren als auf der Hinreise und meine Einkäufe mit Hilfe eines Beagles durchstöberten, den ich noch nicht einmal streicheln durfte. Die Beamten suchten nach Wurst und Elfenbein, was wahrscheinlich die einzigen beiden Dinge waren, die ich nicht aus Argentinien mit nach Hause brachte. Ich hatte zwei zusätzliche Koffer gekauft für den Modeschmuck, die Wäsche, die Hauskleider und vier altmodische Tangokleider, die ich erstanden hatte, um sie im Funky Monkey wieder zu verkaufen – das Leben des »internationalen Einkäufers«. Während der Beagle meinen Besitz beschnüffelte, erkannte ich plötzlich, dass ich dieses Zeug tatsächlich verkaufen wollte. Ich wollte mich nicht mehr selbst isolieren, was früher der eigentliche Grund gewesen war, warum ich meine Schätze stets hortete und für mich behielt. Die Zukunft fand jetzt statt. Also musste ich auch nichts verwahren, um »irgendwann einmal« das Richtige zur Hand zu haben.
Als es an der Tür klingelte, zuckte ich zusammen, denn meine Nerven waren immer noch angespannt.
Wie erwartet war es Matilda; die Entschuldigung stand ihr ins freundliche Gesicht geschrieben. »Dauphine, Liebes. Darf ich hereinkommen?«
Meine Verärgerung über die Sicherheitslücke, in die Pierre eingedrungen war, war bereits verraucht. Trotzdem konnte ich mich nicht überwinden, sie mit einer Umarmung zu begrüßen. »Natürlich. Kommen Sie doch herein. Ich koche uns einen Tee.«
Wie es für Südstaatler typisch ist, tauschten wir erst einmal ein paar Höflichkeiten und Reiseneuigkeiten aus. Ich wies diskret auf meinen Besuch im Cockpit und die Nacht auf der Tangobühne hin – wobei ich gleichzeitig errötete und Dankbarkeit empfand.
»Ich bin so froh, dass Ihnen diese Schritte zugesagt haben. Aber ich mache Ihnen auch keinen Vorwurf, Dauphine, wenn Sie uns verlassen wollen. Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, wie erleichtert ich war, als ich hörte, dass Sie den schlimmsten Teil von Pierres Plänen durchkreuzen konnten.«
»Cassie hat mir immer wieder vor Augen geführt, dass ich mich jeder Situation entziehen kann, die mir nicht hundertprozentig zusagt … Er sagte mir nicht zu.«
»Sie haben gute Instinkte. Sie kennen sich. Das ist beneidenswert. Dafür möchte ich Ihnen etwas geben«, sagte sie, griff in ihre Tasche und holte eine kleine, purpurne Schachtel heraus. Vorsichtig stellte sie das Schächtelchen vor mich hin.
»Ist das mein Charm für Schritt sechs? Wirklich?«
»Machen Sie es auf.«
Offen gestanden hatte ich geglaubt, dass ich die rest lichen Charms nicht erhalten würde, wenn ich S.E.C.R.E.T. verließ. Aber ich liebe Klunker. Deshalb konnte ich meine Begeisterung kaum verhehlen: In der Schachtel lag nicht nur mein Schritt-sechs-Anhänger für Selbstvertrauen – sondern auch alle anderen!
»Oh mein Gott!«, rief ich und fischte in meiner Tasche nach dem Armband, das ich in ein Stück Samt eingewickelt hatte.
»Sie haben sich Selbstvertrauen erworben, als Sie im Hinblick auf Pierre Ihren Instinkten geglaubt haben. Ich bin so froh, dass er es nicht geschafft hat, dies zu erschüttern. Charm sieben steht für Neugier «, erinnerte Matilda mich und legte jeden einzelnen Anhänger auf den Tisch. »Den bekommen Sie, weil Sie Pierre die richtigen Fragen gestellt haben. Nummer acht steht natürlich für Wagemut, denn Sie haben ihm die Stirn geboten. Und Nummer neun, Überschwang – ich hoffe, davon spüren Sie zumindest ein bisschen, Dauphine.«
Ich befestigte einen Charm nach dem anderen an meinem Armband und schüttelte es vor meinen Augen. Es war einfach umwerfend.
»Ich mache Ihnen noch ein letztes Angebot«, sagte Matilda und beugte sich in ihrem Stuhl zu mir vor. »Natürlich können Sie ablehnen, aber ich rate Ihnen dringend, darüber nachzudenken. Wir möchten, dass Sie noch eine letzte Fantasie erleben. Eine, von der wir mit Gewissheit annehmen, dass sie den Sinneswandel wert ist. Wir sind alle sehr
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