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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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mit Roar am Strand und in dem virtuellen Konstrukt der Welt, in die Hess sie geführt hatte. Aria richtete ihre Aufmerksamkeit auf das, was gleich passieren würde, und verharrte reglos, vorübergehend geblendet von der Helligkeit. Dann schaute sie sich um und fügte sich in eine Welt ein, die plötzlich rosa war.
    Sie war von Kirschbäumen umgeben, wohin sie auch schaute. Schwere Blüten zogen die Zweige nach unten und bedeckten den Boden wie eine rosa Schneeschicht. Ein richtungsloses, scheinbar von überall her kommendes Rascheln drang an ihr Ohr, und dann ging ein stürmischer, rosaroter Blütenregen nieder.
    Aria fand den Anblick atemberaubend, bis sie auf die Symmetrie der Äste und die perfekten Abstände zwischen den Bäumen aufmerksam wurde. Ihr fiel auf, dass sie gar nicht gehört hatte, wie die Blütenblätter herabgefallen waren oder die Äste geknackt hatten. Die Brise hatte einen hohlen, eintönigen Klang. Viel zu dynamisch, um echt zu sein, wie sie inzwischen wusste.
Besser als die Realität
, wie sie von den Welten behaupteten. Das hatte sie auch einmal geglaubt. Jahrelang hatte sie sich innerhalb der sicheren Mauern von Reverie in Räumen wie diesem bewegt und es nicht besser gewusst. Sie hatte nicht gewusst, dass
nichts
besser war als die Realität.
    Oder schlimmer
, dachte sie, als sie sich plötzlich an Paisley erinnerte. Ihre beste Freundin hatte nur die schrecklichen Seiten der realen Welt erfahren. Feuer. Schmerz. Gewalt. Aria konnte noch immer nicht glauben, dass sie nicht mehr da war. Fast alle Erinnerungen an Paisley schlossen auch deren älteren Bruder ein. Sie waren immer zu dritt gewesen.
    Wie es Caleb in Reverie wohl ging? Besuchte er noch immer die Kunst-Welten? Hatte er sich weiterentwickelt? Aria spürte einen Kloß im Hals, während sie an ihn dachte, denn sie vermisste ihn. Sie vermisste auch ihre anderen Freunde, Rune und Pixie, und die Tatsache, wie leicht ihr Leben damals gewesen war. Unterwasserkonzerte und Partys in den Wolken. Lächerliche Welten wie Dinosaurier-Lasertag, Wolken-Surfen und Verabredungen mit einem griechischen Gott. Ihr Leben hatte sich so sehr verändert. Jetzt hatte sie immer ihr Messer in Reichweite, vor allem wenn sie schlief.
    Aria blickte auf und hielt den Atem an. Durch die rosa Zweige sah sie einen hellblauen Himmel ohne Ätherströme und ohne wirbelnde, leuchtende Wolken. So war der Himmel vor dreihundert Jahren gewesen, vor der Einheit. Bevor eine gewaltige Sonneneruption die Magnetosphäre der Erde zerstört und die Tür für kosmische Stürme geöffnet hatte. Für eine fremde Atmosphäre, die unglaublich verheerend war. Äther. Hier sah sie einen Himmel, wie sie ihn sich über der Blauen Stille vorstellte – strahlend hell, weit und ruhig.
    Sie senkte den Blick und entdeckte Konsul Hess, der an einem Tisch zwanzig Schritte von ihr entfernt saß. Der kleine Marmortisch mit den gusseisernen Stühlen gehörte in ein Bistro irgendwo in einer europäischen Stadt. Welche Welt Hess auch wählte, dieses Detail blieb immer gleich.
    Aria schaute an sich hinunter. Sie trug jetzt einen Kimono statt ihrer schwarzen Montur aus Hose, Hemd und Stiefeln. Der dicke, cremefarbene Brokatstoff des Kimonos war mit roten und rosafarbenen Blumen bestickt. Er war wunderschön und viel zu eng.
    »Ist das nötig?«, fragte sie wie immer.
    Hess sah schweigend zu, wie sie näher kam. Sein strenges, wie gemeißelt wirkendes Gesicht mit den weit auseinanderstehenden Augen und dem schmalen Mund erinnerte Aria an eine Eidechse. »Es passt zu der Welt, in der wir uns befinden«, entgegnete er, während seine Augen über ihren Körper wanderten. »Und ich finde deine Außenseiterkleidung abstoßend.«
    Aria setzte sich ihm gegenüber und rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. In dem engen Kimono konnte sie kaum die Beine übereinanderschlagen, und was sollte dieser wächserne Belag auf ihren Lippen? Sie fuhr mit dem Finger darüber und bemerkte dann den leuchtend roten Lippenstift an der Kuppe.
Also ehrlich
. Das ging jetzt echt zu weit.
    »
Ihre
Kleidung
passt
nicht zu dieser Welt«, erwiderte sie.
    Hess trug wie üblich den grauen Overall der Siedler – ähnlich der Kleidung, die sie ihr ganzes Leben lang in Reverie getragen hatte, mit dem einzigen Unterschied, dass blaue Streifen an Kragen und Ärmelaufschlägen seinen Rang als Konsul anzeigten.
    »Genauso wenig wie dieser Tisch und der Kaffee«, fügte Aria hinzu.
    Hess ignorierte sie und goss Kaffee in zwei zarte

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