Getrieben - Durch ewige Nacht
Seite, während seine Stimme leiser wurde, aber seine Beine baumelten die ganze Zeit vor und zurück. Ein paarmal, wenn er lächelte, musste Aria aufs Meer hinausschauen und tief durchatmen; er war seinem Onkel so unglaublich ähnlich. Als die Zeit schließlich abgelaufen war, umarmte sie ihn und versprach, ihn schon bald wieder zu besuchen.
Aria bilokalisierte sich in eine andere Welt – ein Büro. Hess saß an einem glatten, grauen Schreibtisch, hinter ihm eine Glaswand. Durch das Glas konnte sie das Panop von Reverie sehen – ihr Zuhause –, mit seinen runden, spiralförmig nach oben verlaufenden Ebenen. Der Anblick raubte ihr den Atem und lockte sie ein paar Schritte vorwärts. Seit ihrer Verbannung hatte sie sich Dutzende Male mit Hess in den Welten getroffen, aber bisher hatte sie nie die Biosphäre, ihre tatsächliche Heimat, zu sehen bekommen.
Hess wandte sich an sie, ehe sie etwas sagen konnte. »Netter Besuch«, meinte er. »Wie du gesehen hast, leidet er nicht. Ich hoffe, wir können dafür sorgen, dass das auch so bleibt.«
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Peregrine
| Kapitel Siebzehn
»Gelobe, dass du mir treu bist, Vale«, befahl Perry, als er seinem Bruder das Messer an die Kehle hielt. Seine Stimme klang zu barsch, wie die seines Vaters, und seine Hände zitterten so stark, dass er den Griff des Messers fest umklammern musste. Er kniete über Vale und drückte ihn ins Gras eines brach liegenden Ackers.
»Dir Treue geloben? Das kann nicht dein Ernst sein. Du hast ja keine Ahnung, was du tust, Perry. Gib es zu.«
»Ich weiß genau, was ich tue.«
Vale brach in Gelächter aus. »Warum haben dich dann alle verlassen? Warum hat
sie
dich verlassen?«
»Halt den Mund!« Perry drückte seinem Bruder die Klinge fester gegen den Hals, doch Vale lachte nur noch lauter.
Dann war plötzlich nicht mehr Vale unter ihm, sondern Aria. So wunderschön. So wunderschön und unter ihm, auf Vales Bett. Sie lachte, als er ihr das Messer an die Kehle hielt. Perry konnte die Klinge nicht wegnehmen. Sie zitterte in seiner Hand, als er sie gegen die zarte Haut an ihrem Hals drückte. Er konnte einfach nicht aufhören, aber es kümmerte sie nicht. Sie lachte und lachte.
Ruckartig erwachte Perry aus seinem Albtraum und setzte sich kerzengerade auf. Er befand sich auf dem Dachboden seines Hauses. Er fluchte laut, konnte seine Stimme nicht dämpfen. Schweiß lief ihm den Rücken hinunter, und er war außer Atem.
»Ruhig, ganz ruhig, Perry.« Reef hockte auf der Leiter, die Stirn sorgenvoll gerunzelt.
Im Haus war es dunkel und totenstill. Perry konnte das übliche Schnarchen der Sechs nicht hören; offenbar hatte er alle aufgeweckt.
»Alles in Ordnung?«, fragte Reef.
Perry drehte sich in den Schatten und verbarg sein Gesicht. Zwei Tage war sie schon fort. Zwei Tage. Er griff nach seinem Hemd und zog es an.
»Ja. Es geht mir gut«, erklärte er.
Bear wartete bereits auf ihn, als er aus dem Haus trat. »Wir sind so dünn besetzt wie nie, Perry, das weiß ich. Aber meine Leute müssen sich ausruhen. Ich kann nicht von ihnen verlangen, den ganzen Tag auf dem Feld zu arbeiten und dann auch noch die Nachtwache zu übernehmen. Ein paar von uns brauchen ihren Schlaf.«
Perrys Körper versteifte sich. Er hatte in letzter Zeit noch weniger geschlafen als sonst, und alle wussten das. »Wir können es uns nicht leisten, überfallen zu werden. Ich brauche Wachposten.«
»Und ich brauche Hilfe beim Säubern der Entwässerungsgräben, Perry. Ich brauche Hilfe beim Pflügen und Säen. Aber was ich nicht brauche, sind Leute, die einnicken, wenn sie arbeiten sollen.«
»Du musst mit dem auskommen, was du hast, Bear. Das müssen wir alle.«
»Das werde ich auch, aber dann schaffen wir nicht mehr als die Hälfte von dem, was wir tun müssen.«
»Dann ist es eben nur die Hälfte! Ich werde keine Männer von der Wache abziehen.«
Bear verstummte, genau wie einige andere auf der Lichtung. Perry verstand nicht, wieso
sie
nicht verstanden. Fast ein Viertel des Stammes hatte das Dorf verlassen. Natürlich konnten sie nicht alles schaffen. Er hatte gehofft, Lebensmittelvorräte für die Wanderung des Stammes zur Blauen Stille anlegen zu können, aber nach den Schäden, die der Äthersturm angerichtet hatte, und dem Verlust von Arbeitskräften war er schon froh, ihnen überhaupt jeden Tag etwas zu essen geben zu können. Sie waren überarbeitet und unterernährt, und er brauchte dringend eine Lösung.
Im Lauf des Tages wog er seine Optionen ab, während
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