Getrieben: Thriller (German Edition)
erhobenem Haupt wie angewurzelt stehen. Sein fantastisches Geweih (mindestens achtzehn Enden) zeichnete sich vor der tiefstehenden Nachmittagssonne deutlich ab. Es war allein Revys hervorragenden Reflexen zu verdanken, dass der Wagen nicht frontal in den Hirsch krachte. Der Porsche brach schlingernd nach links aus, und von Daeniken war sich sicher, dass die Bremsleuchten nicht mal für den Bruchteil einer Sekunde aufleuchteten, als der Wagen von der Straße abkam und den Abhang hinunterstürzte. Einen Moment lang schien der Porsche schwerelos durch die Luft zu schweben, bevor er gegen den Stamm einer hundertjährigen Kiefer prallte und zwanzig Meter tiefer im Fluss aufschlug.
Revy hatte trotz der Airbags und Sicherheitsgurt nicht die geringste Chance. Der Porsche landete kopfüber im Fluss, wobei sein Dach eingedrückt wurde. Von Daeniken, der sofort angehalten hatte und aus dem Wagen gesprungen war, konnte hören, wie Teile der geplatzten Windschutzscheibe auf die Felsen prasselten. Dann bohrte sich die abgebrochene Spitze der Kiefer wie ein Speer in das Wrack. Sekunden später fing der Benzintank Feuer, und kurz darauf ging der Wagen mit einer ohrenbetäubenden Explosion in Flammen auf. Von Daeniken konnte nur hoffen, dass Revy sich bei dem Sturz das Genick gebrochen hatte.
Rund zehn Sekunden lang beobachtete von Daeniken, wie die Flammen aus dem Wageninneren schossen, und bedauerte Revys tragischen Tod. Vielleicht hatte er sogar ein wenig Mitleid mit ihm. Nach und nach versammelten sich seine Männer um ihn und starrten wie Trauergäste mit bleichen, reglosen Gesichtern in die Schlucht. In ein paar Minuten würde der erste Polizeiwagen die Unfallstelle erreichen, gefolgt von der Feuerwehr und schließlich einem Krankenwagen. Auch die Presse würde über kurz oder lang hier auftauchen. Der Unfall war spektakulär genug für einen halbseitigen Bericht mit Farbfotos im Blick , der Boulevardzeitung des Landes. Das durfte von Daeniken unter keinen Umständen zulassen.
»Sorgt dafür, dass niemand durch die Sperren kommt«, wies er seine Kollegen an. »Wir brauchen so schnell wie möglich einen Aufräumtrupp hier oben. Dieser Unfall hat nie stattgefunden.«
44.
Die letzte Einsatzbesprechung des frisch rekrutierten Agenten Dr. Jonathan Ransom und des Leiters von Division, Frank Connor, fand um sechs Uhr abends in einem steril wirkenden Konferenzraum auf der vierten Etage des Conference Centers am Züricher Flughafen statt. Ein wandhohes Fenster bot ihnen einen unverstellten Blick auf die Parkbuchten von Terminal A und B. Etwa fünfhundert Meter weiter ragte Terminal E wie eine Insel aus dem Asphalt mit gut einem Dutzend startbereiten Flugzeugen aus ebenso vielen Ländern an den Gates. Die meisten von ihnen stammten aus dem Fernen Osten und wurden gerade für ihre nächtlichen Rückflüge gewartet: Thai Airways, Cathay Pacific, Singapore Airlines und, gerade noch erkennbar, am hintersten Ende von Terminal E eine Boeing 787 mit der grün-schwarz-roten Flagge der Vereinigten Arabischen Emirate an der Heckflosse. Emirates-Flug 221 von Zürich nach Dubai sollte planmäßig um 20.30 Uhr voll ausgebucht mit 248 Passagieren plus Crew abheben.
»Da sind Sie ja, mein Lieber«, sagte Connor, als er den Konferenzraum betrat und Jonathan entdeckte, der am Fenster stand und wartete. »Himmel, ich hätte Sie fast nicht wiedererkannt. Was haben meine Leute denn bloß mit Ihren Haaren angestellt? Blond? Und dann noch diese Brille und der Anzug. Sie sehen ja richtig elegant aus.«
Jonathan rang sich ein Lächeln ab. Das Einzige, was Connor noch nicht kommentiert hatte, waren seine blauen Kontaktlinsen. »Hallo, Frank. Wie geht es Ihren Beinen?«
»Tun höllisch weh. Sie sind doch Arzt. Können Sie mir nicht irgendwas verschreiben?« Connor lachte gutgelaunt, und beide Männer reichten sich zur Begrüßung die Hände. Während Connor Jonathans Hand mit festem Griff schüttelte, musterte er diesen von Kopf bis Fuß. »Hat Danni sich gut um Sie gekümmert?«
»Könnte man durchaus so sagen.«
»Wie ich höre, haben Sie sich hervorragend geschlagen und alle Erwartungen weit übertroffen. Danni meint, Sie waren einer ihrer besten Schüler. Nur schade, dass ich Sie nicht schon eher angesprochen habe.«
»Aber das haben Sie doch. Oder Emma, um genau zu sein. Das dürfte aber wohl keinen großen Unterschied machen.« Jonathan setzte sich und verschränkte die Hände auf der Tischplatte. An jedem der acht Plätze am Tisch standen eine
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