Getrieben: Thriller (German Edition)
Luxus.
»Wagen eins, Verfolgung abbrechen. Wagen zwei, fertig machen zum Übernehmen.«
Von seinem schattigen Parkplatz aus in den dicht bewaldeten Hügeln am Stadtrand von Bern koordinierte von Daeniken die Aktion. Ein kräftiger Wind aus nördlicher Richtung wirbelte den Schnee von den Berghängen, sodass die Flocken im gleißenden Sonnenlicht tanzten und funkelten. Auf von Daenikens Schoß lag ein mobiles GPS-Tracking-Gerät, und mit den Augen verfolgte er den blinkenden roten Punkt auf dem Display, der sich in diesem Moment auf der A1 auf ihn zu bewegte. Das Signal kam von einem Peilsender, den von Daeniken eigenhändig an der Stoßstange von Revys Porsche Panamera angebracht hatte, der unverschämt teuren und beneidenswert schönen Limousine, bei der der Chirurg bereits seit drei Monaten mit den Leasingraten im Rückstand war. Dem roten folgten drei blaue Punkte. Das waren die Wagen, in denen von Daenikens Männer saßen. Alle sieben Minuten wechselten sie sich bei der Verfolgung von Revy ab – eine gängige Praxis, um von der Zielperson nicht sofort entdeckt zu werden.
»Er verlässt jetzt die Autobahn«, meldete sich Wagen eins.
»Bis zum Ortsausgang bleibt ihr auf Abstand. Sobald er auf die Dorfstraße abbiegt, baut ihr die Straßensperren auf und sorgt dafür, dass nach Revy niemand mehr durchkommt.«
Bei der Verfolgung handelte es sich im Grunde nur um eine reine Vorsichtsmaßnahme. Das Remora-Spionageprogramm hatte am Abend zuvor eine E-Mail von Revy weitergeleitet, in der er seiner Mutter einen kurzen Besuch an diesem Nachmittag angekündigt hatte, bevor er am Abend seinen Flug nach Pakistan antreten wollte. Über den genauen Zeitpunkt und den Ort der Entführung war im Vorfeld heftig diskutiert worden: Sollten sie Revy vor dem Haus seiner Mutter schnappen, ihn im Hotel abfangen, bevor er dort auscheckte, oder ihn besser irgendwo auf der Strecke zwischen dem Hotel und dem Haus seiner Mutter kidnappen? Ein paar Männer aus von Daenikens Team hatten vorgeschlagen, Revy zu betäuben und ihn für die Dauer der Operation in ein künstliches Koma zu versetzen. Andere wollten ihn in einem sicheren Haus in der Nähe von Gornergrat festhalten, wo ihn höchstens ein paar Krähen zu Gesicht bekämen. Auf zwei Dinge mussten sie bei ihren Überlegungen besonderes Augenmerk legen: Erstens durfte es keine Zeugen für die Entführung geben, und zweitens durfte Revy auf keinen Fall herausfinden, wer ihn entführt hatte und wo man ihn gefangen hielt.
Schließlich einigten sie sich darauf, sich Revy auf dem Weg zu seiner Mutter zu schnappen, nachdem sie auf der Strecke einen nicht ganz so stark befahrenen Straßenabschnitt gefunden hatten, der für ihre Pläne geradezu ideal war. Anschließend wollten sie Revy in einem aufgelassenen Luftschutzbunker im Engadin oberhalb von Pontresina gefangen halten, bewacht von einem sich abwechselnden Team aus je zwei Personen. Das künstliche Koma erschien ihnen zu riskant.
Von Daeniken öffnete das Seitenfenster und rief dem Fahrer des neben ihm parkenden Transporters mit der Aufschrift »Swisscom« zu: »Fünf Minuten.«
Der Fahrer klopfte die Asche von seinem Zigarillo ab, startete den Motor und fuhr die Straße hinauf.
Nervös rutschte von Daeniken auf seinem Sitz hin und her. Wie schon so oft vor einer solchen Aktion spielten seine Nerven verrückt. Er war für so etwas einfach nicht geschaffen. Bevor er Leiter des DAP geworden war, hatte er in der Abteilung für Wirtschaftskriminalität Karriere gemacht. Doch obwohl er Waffen und Gewalt wie überhaupt alles Martialische aus tiefstem Herzen verabscheute, hatte er festgestellt, dass er für den Job hervorragend geeignet war. Im Grunde war er ein ziemlich hinterhältiger Mistkerl, der mit seinem scharfen Verstand sogar die erfahrensten Agenten alt aussehen lassen konnte. Aber Denken und Handeln waren zwei verschiedene Paar Schuhe, und in diesem Moment hätte von Daeniken alles darum gegeben, mit seiner zweiten Tasse Espresso am Schreibtisch zu sitzen und sich von den Abteilungsleitern über die Ergebnisse und Entwicklungen des Tages informieren zu lassen.
Der rote Punkt erreichte die Weggabelung und bog von der Lindenstraße auf die Dorfstraße, die sich 3,8 Kilometer weit über bewaldete Hügel bis zur nächsten Kreuzung schlängelte.
»Wagen eins, wie weit seid ihr mit der Straßensperre?«
»Die Straße ist abgeriegelt«, meldete sich Wagen eins über Funk.
»Wagen vier«, wandte sich von Daeniken an den Fahrer des
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