Getrieben: Thriller (German Edition)
noch mehr Menschen auf dem Spiel steht?
»Was für eine Waffe meinen Sie?«, hakte Jonathan nach.
Connor wich seinem Blick nicht aus. »Sind Sie dabei oder nicht? Ich denke, wir stehen am Rubikon.«
Jonathan fuhr sich nachdenklich mit der Hand über den Mund. Er dachte daran, was Danni über seine Motive gesagt hatte, weshalb er Connor helfen wolle. Er musste ihr recht geben. Er wollte tatsächlich herausfinden, ob er in der Lage war, dasselbe zu tun, was Emma tat. Doch das war nicht der einzige Grund. Die Sache war komplizierter. Was ihn antrieb, war nicht der Wunsch, sich mit Emma zu messen, sondern ein tief in ihm verwurzeltes Gefühl von Verantwortung oder sogar Schuld. Ob er wollte oder nicht, er hatte Emma bei zu vielen Operationen geholfen, um noch als unbeteiligter Zuschauer durchgehen zu können. Als Ehemann war es seine Pflicht zu wissen, was seine Frau tat. Nachdem er erfahren hatte, wer sie wirklich war, hatte sich sein Verhalten merklich geändert. In den vergangenen elf Monaten hatte er die ihm zugewiesene Rolle als nichtsahnender Bauer auf dem Schachbrett abgelegt und sich aktiv in das Spiel eingemischt – zuerst in der Schweiz, dann in Frankreich und schließlich in Afghanistan. Er war vor der Polizei geflüchtet, hatte mit angesehen, wie furchtbare Verbrechen verübt worden waren, und sogar mit eigenen Händen Menschen getötet, um sich zu verteidigen, aber auch mit Vorsatz und kühler Berechnung. An irgendeinem Punkt hatte er aufgehört, der ahnungslose Ehemann, Arzt und Zivilist zu sein, und war in eine andere Rolle geschlüpft. Dass Connor ihn mit ins Boot geholt hatte, sagte eine Menge über seine eigenen Fähigkeiten aus. Jonathan hätte aber nie erwartet, dass die Frage, ob er bereit war, seinem Land zu dienen, so schwer wiegen würde. Während er den stämmigen Mann mit den geröteten Wangen und dem zerknautschten Anzug neben sich musterte, fühlte er sich durch dessen Frage fast ein wenig geehrt. In Connors Augen konnte er lesen, wie überzeugt dieser von seinem Tun war, was Jonathan fast ein wenig neidisch machte.
Ich rette Leben , dachte er bei sich. Wenn auch auf eine etwas andere Art als bisher.
»Ich bin dabei.«
»Sicher?«
»Ja.«
Connor nickte leicht und stieß dann einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. »Wir glauben, dass Lord Balfour im Besitz einer Atombombe ist. Es handelt sich um einen Sprengkopf aus einem unserer Marschflugkörper, der vor etwa fünfundzwanzig Jahren in der Bergregion nahe der afghanischen Grenze verloren gegangen ist.«
Im Raum war es totenstill.
»Eine Atombombe?«, brach Jonathan nach einer Weile ungläubig das Schweigen.
»Eine nette kleine Atombombe von 150 Kilotonnen Sprengkraft in einem Stahlmantel von der Größe eine reifen Wassermelone.«
Connor beugte sich noch immer angespannt über den Tisch und starrte ihn an. Jonathan hatte das unbestimmte Gefühl, dass ihm das dicke Ende noch bevorstand. »Und Emma?«
»Emma hat Balfour dabei geholfen, die Bombe zu bergen. Auf dem Gipfel des Tirich Mir.«
»Auf dem Tirich Mir?«
»Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Ach, vergessen Sie’s.« Der Name weckte tatsächlich Erinnerungen in Jonathan, aber das war nicht der richtige Moment, um über die Vergangenheit zu sprechen. Jonathan wandte den Blick ab und fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Er wusste, dass Connor ihm nichts vormachte. Diese Spielchen hatten sie hinter sich. Das galt auch für Halbwahrheiten, Machtkämpfe und Täuschungsmanöver. Das hier war die ungeschminkte oder, wie Connor es vielleicht nennen würde, die »maßgebliche« Wahrheit.
»Nachdem ich in Erfahrung gebracht hatte, wo der Marschflugkörper vermutlich lag, habe ich mithilfe eines Satelliten die Gegend absuchen lassen. So konnte ich selbst mit ansehen, wie sie das Bergungsteam zur Fundstelle geführt hat. Ich habe sofort ein Spezialeinsatzteam auf den Berg geschickt, um Emma zu stoppen, aber das Wetter hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Marine, der den Einsatz geleitet hat, ist dabei ums Leben gekommen.«
»Hat Emma ihn getötet?«
»Sie hat den zurückgelassenen Marschflugkörper in die Luft gejagt, um alle Spuren zu beseitigen. Ihr war klar, dass ich ohne Beweise nichts ausrichten kann. Captain Crockett kam nicht rechtzeitig genug weg.«
Jonathan setzte sich auf seinem Stuhl gerader hin und zwang sich, mit ruhiger Stimme weiterzusprechen. Es war die professionelle Stimme des Arztes, der gezwungen ist, einem Patienten das Allerschlimmste
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